Düsseldorf (epd). Keiner der rund 60 Bewohner des Caritas-Altenzentrum St. Martin in Düsseldorf darf aktuell Besuch empfangen. Zu hoch ist das Infektionsrisiko durch die Corona-Pandemie. Trotzdem haben rund 20 Senioren an Ostern Angehörige sehen und sprechen können - per Videoanruf. Möglicht macht das eine neue App.
FaceTime, Skype und Zoom gehörten zwar für viele Menschen zum Alltag, Bewohner in Pflege- und Altenheimen besäßen aber nur selten überhaupt ein Tablet oder Smartphone, um einen Videoanruf tätigen zu können, sagte Jaye Pharrell dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die 22-Jährige ist eine der Entwickler der App "Videobesuch", über die die Altenheim-Bewohner trotz Besuchsverbot ihre Familien sehen können.
Damit das klappt, müssen die Bewohner selbst so gut wie gar nichts machen, schildert Pharrell, die ebenfalls in Düsseldorf wohnt und die Videoanrufe begleitet hat. "Der Bewohner muss nur zur richtigen Uhrzeit vor dem Gerät sein." Im Altenzentrum St. Martin bringt dafür eine Pflegekraft das extra etwas größere Tablet in das jeweilige Zimmer der Senioren. Der Videoanruf startet dann zu einer festgelegten Uhrzeit und schließt sich nach einer programmierten Zeitspanne von zum Beispiel 20 Minuten wieder. Damit die Übertragung auch auf dem anderen Endgerät startet, müssen die Angehörigen auf einen Link klicken, den "Videobesuch" ihnen vorab gesendet hat.
Dem Entwickler-Quartett von "Videobesuch" war es wichtig, die Hemmschwelle für die Heimbewohner so niedrig wie möglich zu halten, zugleich sollte aber auch das Pflegepersonal möglichst gering belastet werden, erklärt Pharrell. "Die Pfleger haben ohnehin so viel zu tun, dass sie nicht noch Zeit dafür haben, Videoanrufe der Bewohner zu planen."
Der Unterschied zu anderen Anbietern wie Skype und Facetime bestehe darin, dass "Videobesuch" den Pflegekräften den organisatorischen Aufwand weitestgehend abnehme. Das Personal müsse das Heim zwar einmalig registrieren, eine Bewohnerliste mit den E-Mail-Adressen der Angehörigen eintragen und festlegen, dass sie zum Beispiel nur am Sonntag von 13 bis 16 Uhr Videobesuche empfangen wollen. Die Terminbuchungen mit den Angehörigen übernehme dann aber die App, erklärt Pharrell.
Sie empfiehlt den Heimen, einen Besuchsraum mit einem "Videobesuch"-Tablet oder Fernseher einzurichten. Bewohner, die mobil und geistig fit genug seien, könnten dann eigenständig zur vereinbarten Zeit in den Raum gehen. Zu bettlägerigen Bewohnern müsse das Pflegepersonal das Gerät allerdings bringen. Bei kognitiv eingeschränkten Bewohnern, etwa mit einer Demenz, sei es ratsam, wenn ein Pfleger während des Anrufs dabei bleibe.
Im Caritas-Altenzentrum St. Martin hat man sich dafür entschieden, das Tablet jeweils in die Zimmer der Bewohner zu bringen, sagt Rainer Schlaghecken vom Caritasverband Düsseldorf. "Für die Senioren ist es angenehmer, im gewohnten und geschützten Umfeld mit den Angehörigen zu sprechen." Das Pflegepersonal freue sich darüber, dass sie Bewohnern ihre Angehörigen trotz Besuchsverbot auf diese Weise näher bringen könnten.
Das Altenheim St. Martin ist die erste Einrichtung in Deutschland, die "Videobesuch" nutzt. Die App ist erst vor knapp vier Wochen bei einem sogenannten Hackathon der Bundesregierung entstanden, sagt Pharrell. Bei der Veranstaltung sollten digitale Projekte entwickelt werden, die dabei helfen sollen, die Folgen der Corona-Pandemie zu begrenzen. "Videobesuch" hat sich unter 1.500 eingereichten Projekten als einer von 20 Gewinnern durchgesetzt.
Auch das Kuratorium Deutsche Altershilfe ist über Projekte wie "Videobesuch" in Zeiten von Besuchsverboten dankbar, betont aber, dass Videoanrufe nicht langfristig den persönlichen Kontakt zu Angehörigen ersetzen dürften. Studien belegten, dass nicht die Häufigkeit von Kontakten für die Heimbewohner entscheidend sei, sondern die Intensität.
Auch geben die Experten zu bedenken, dass ein solches Projekt gerade bei Senioren gut begleitet werden müsse. "In Zeiten von Corona, in denen das Pflegepersonal jeden Tag bis an die Grenze der Belastung und oft darüber hinaus geht, ist es eine weitere Belastung für Pflegepersonal."