sozial-Branche

Corona-Krise

Gemeinnützige Organisationen: "Wir brauchen jeden Cent"




Auch als eingetragener Verein organisiert: die Würzburger Kindertafel.
epd-bild / Daniel Staffen-Quandt
Sinkende Spendeneinnahmen, wenig Rücklagen, kaum Hilfen vom Staat: Die Corona-Krise trifft die gemeinnützigen Organisationen hart. Dabei sind sie entscheidend für die soziale Infrastruktur.

Zum Schulbeginn 2.000 Kindern aus armen Familien einen Schulranzen schenken: Das war der Plan der Stiftung Kinderglück. In der Corona-Krise, das lernte die gemeinnützige Organisation schnell, werden aber selbst die sorgfältigst vorbereiteten Pläne zunichte gemacht. "Momentan fehlen uns für das Schulranzen-Projekt 25.000 Euro", sagt Inga Kröger, die bei der Dortmunder Stiftung für das Fundraising zuständig ist. Mit den enormen Spendeneinbrüchen infolge der Corona-Pandemie hatte niemand gerechnet.

Bundesweit seien 95 Prozent der insgesamt 600.000 Vereine gemeinnützig, ebenso wie die meisten der 20.000 Stiftungen, sowie weitere 10.000 GmbHs und einige wenige Aktiengesellschaften, sagt der Wiesbadener Rechtswissenschaftler Ulrich Segna. Sie alle haben gemein, dass ihre Tätigkeit auf die selbstlose Förderung der Allgemeinheit gerichtet ist. Dafür erhalten sie steuerliche Vergünstigungen und haben die Möglichkeit, Spendenbescheinigungen auszustellen.

Rücklagenbildung nicht erlaubt

Gleichzeitig sind gemeinnützige Organisationen bei der Rücklagenbildung eingeschränkt. "Sie müssen eingenommene Mittel zeitnah verwenden und dürfen sie nicht unbeschränkt anhäufen", erklärt Segna. Ihnen fehlten also jetzt in der Krise finanzielle Puffer. Außerdem seien sie vom aktuellen Kreditprogramm des Bundes weitgehend ausgenommen.

Diese Ausnahme wird von den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege scharf kritisiert. Die Einrichtungen und sozialen Dienste ihrer gemeinnützigen Mitglieder müssten ebenso wie die freie Wirtschaft geschützt werden. "Ohne sie wird die soziale Infrastruktur kollabieren", warnen die Verbände. Auch Segna sieht Handlungsbedarf: Die Wohlfahrtsverbände hätten nicht nur eine staatsentlastende Funktion, sondern seien auch wichtige Arbeitgeber.

Noch gebe es auf staatlicher Seite nur kleinere Hilfen, sagt Segna. So hätten verschiedene Finanzämter Steuerforderungen aufgeschoben, weitere Spielräume könnte das Bundesfinanzministerium schaffen. Viele Gemeinnützige wendeten sich derweil mit Spendenaufrufen an die Öffentlichkeit - "obwohl die Spendenbereitschaft in Zeiten großer Unsicherheit nicht gerade ausgeprägt ist".

Auch "Die Arche" hofft auf mehr Spenden

Diese Strategie verfolgt auch die Berliner Kinderstiftung "Die Arche". "Wir brauchen jeden Cent", sagt Pressesprecher Wolfgang Büscher. Die Stiftung sei daher "massiv an die Öffentlichkeit" gegangen. Nach starken Spendenrückgängen in den ersten Wochen gebe es nun viel Solidarität. Sorgen mache ihm, dass in Zukunft viele Firmenspenden ausbleiben könnten. Bis dahin machen die Mitarbeiter normal weiter. "Gerade jetzt müssen wir noch mehr für die Kinder aus bedürftigen Familien da sein", betont Büscher.

Auch die Stiftung Kinderglück will ihre Arbeit nicht einstellen, sondern höchstens Projekte verkleinern. Wie lange das funktioniert, ist aber offen. Das komme darauf an, wie lange die Corona-Krise andauere und wie sie sich auf die Wirtschaft auswirke, sagt Fundraiserin Kröger.

Eventuell könnte sich die Krise sogar positiv auswirken: So gibt es laut Rechtswissenschaftler Segna verschiedene Überlegungen, die Gesetze für gemeinnützige Organisationen auch im Bereich der Finanzen anzupassen. "Das Gemeinnützigkeitsrecht ist im Grunde eine Dauerbaustelle", sagt er.

Jana-Sophie Brüntjen