Einbeck, Kr. Northeim (epd). Pflegende Angehörige werden aus Sicht der Vorsitzenden des Landesseniorenrates Niedersachsen, Ilka Dirnberger, in der Corona-Krise von der Politik im Stich gelassen. "Die allermeisten pflegebedürftigen Menschen werden im familiären Umfeld versorgt. Aber es wird nur über die Pflege in stationären Einrichtungen oder durch die ambulanten Dienste gesprochen", sagte sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Einbeck. Um die Haushalte, in denen ein Vater, eine Mutter oder ein Ehepartner ohne Unterstützung von draußen gepflegt werden, kümmere sich niemand.
Die Situation in den Familien sei derzeit problematisch, sagte Dirnberger. "Selbst wenn Sie ein Zimmer für den zu pflegenden Angehörigen isolieren können, werden doch immer wieder Menschen rein- und rausgehen." Da diese Menschen in einer häuslichen Gemeinschaft lebten, seien die derzeitigen Vorschriften zu Kontaktvermeidung, wie sie etwa für Altenheime in Geltung seien, nicht einzuhalten. Hinzu komme, dass es für private Haushalte extrem schwierig sei, an Schutzkleidung wie Mäntel, Masken, Handschuhe und Desinfektionsmittel zu gelangen.
Eine in stationären Einrichtungen oder bei den ambulanten Diensten übliche Kontrolle zur Qualität der Pflege durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen finde zu Hause quasi nicht statt, berichtete Dirnberger, die früher selbst in der Pflege tätig war. "Das ist ein dunkles Gebiet, über das wir nicht viel wissen." Zwar schreibe das Gesetz nach Pflegegraden gestaffelte Beratungsgespräche mit einem zugelassenen Pflegedienst vor, "aber das genügt nicht, um die Qualität der Pflege tatsächlich einzuschätzen".
Dirnberger forderte verpflichtende Kurse für pflegende Angehörige, in denen zumindest ein minimales Grundwissen über Hygiene und Desinfektion, aber auch über Pflegetechniken vermittelt werden. Dies helfe und schütze die zu pflegenden Menschen, aber auch diejenigen, die sich um die Pflege kümmerten.
Die Vorsitzende appellierte an die Pflegekassen, solche Kurse schon jetzt den Angehörigen gezielt anzubieten. "Da die Pflegekassen das Pflegegeld auszahlen, ist ihnen auch bekannt, wer die Angehörigen versorgt."
Außerdem sollte das Pflegegeld an Kriterien gekoppelt werden, unterstrich Dirnberger. Für die Pflegekassen sei es bequem, die Verantwortung mit der Zahlung des Pflegegeldes an die Angehörigen abzugeben. Darum forderten die Seniorenräte bereits seit Jahren von der Politik, die häusliche Pflege genauer in den Blick zu nehmen. "Jetzt fällt der Politik vor die Füße, was sie seit Jahrzehnten versäumt hat", sagte die Vorsitzende.