sozial-Politik

Corona-Krise

Forderung nach Mieterschutz-Fonds wird lauter




Unsichere Bleibe: In der Corona-Krise droht vielen Mietern der Wohnungsverlust.
epd-bild/Jürgen Blume
Die Kritik am Mieterschutz-Gesetz der Bundesregierung reißt nicht ab. Eine ungewöhnliche Allianz aus Mieterbund und Wohnungswirtschaft wirbt für einen neuen Hilfsfonds, den der Bund einrichten müsste. Doch die Regierung sieht sich nicht gefordert.

Die Corona-Krise führt zu merkwürdigen sozialpolitischen Allianzen: Wenn Wohnungswirtschaft, Mieterbund, Genossenschaften und Sozialverbände gemeinsam eine Forderung erheben, ist das in normalen Zeiten fast anrüchig. Heute aber rufen sie vereint die Bundesregierung auf, mehr zu tun für den Mieter- und Vermieterschutz. Ein "Sicher-Wohnen-Fonds" für Notfälle müsse her.

Die Regierung hat beim Spannen ihrer milliardenschweren Schutzschirme Mieter und Kleinstunternehmen in Zahlungsnot nicht vergessen. Durch die Corona-Krise in Zahlungsnot geratene Mieter sind zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 sicher vor dem Verlust ihrer Wohnung geschützt. Knackpunkt: Die Zahlungen sind nur gestundet, müssen samt Zinsen bis spätestens 2022 nachgeholt werden. Andernfalls droht doch noch eine ordentliche Kündigung der Wohnung. Zudem greift der befristete Schutz nur, wenn Mieter nachweisen können, dass ihre Einkommenseinbußen direkt auf die Pandemie zurückzuführen sind - eine laut Experten hohe bürokratische Hürde.

"Mietstundung ist keine Lösung"

Die Stundung von Mietrückständen sei keine Lösung, heißt es deshalb beim Bündnis #Mietenwahnsinn-Hessen. "Wer schon vor der Pandemie die horrenden Mieten gerade so schultern konnte, hat dafür keine Rücklagen. Wer jetzt in Kurzarbeit nur noch 60 Prozent des Einkommens hat oder arbeitslos wird, kann später keine Mietrückstände abstottern." Und: Die dreimonatige Kündigungsfrist sei viel zu kurz und müsse mindestens bis Ende September 2020 verlängert werden, so das Bündnis aus über 40 Organisationen, Vereinen, Initiativen und Gewerkschaften.

Der geforderte Fonds soll den Mietausfall als Zuschuss oder zinsloses Darlehen übernehmen und Geld direkt an den Vermieter auszahlen - so würden erst gar keine Kündigungstatbestände entstehen. Doch davon hält Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) bislang nichts: "Ein solcher Fonds ist nach meiner Überzeugung neben den bestehenden Systemen der sozialen Sicherung nicht erforderlich." Denn, so die Ministerin, wer in der Krise seine Miete nicht mehr zahlen könne, habe in der Regel Anspruch auf Grundsicherung oder Wohngeld.

Dem widerspricht Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes: "Anders als gelegentlich behauptet wird, kann durch andere staatliche Leistungen wie das Wohngeld allenfalls ein Teil der Miete abgedeckt werden, es ist nicht mehr als ein Mietzuschuss. Sofern wir uns also nicht im Bereich der Sozialleistungen bewegen, bleibt immer eine Lücke, die es auszugleichen gilt, wenn das Mietverhältnis nicht aus den Fugen geraten soll." Allein deshalb ist er von der Fonds-Lösung überzeugt.

Privaten Eignern droht Insolvenz

Der Eigentümerverband Haus & Grund rügt, die jetzige Rechtslage sei für Wohnungsbesitzer, die selbst Kredite abzutragen hätten, völlig unzureichend. Das Hilfsgesetz treibe "Millionen private Eigentümer in die Insolvenz". Notwendig seien direkte und unbürokratische finanzielle Hilfen für Vermieter aus einem "Wohn- und Mietenfonds".

Vor einer Kettenreaktion warnt der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW. Fielen zuhauf Mieten weg, dann fehle den Eigentümern Geld, um Handwerker zu bezahlen oder Sanierungsarbeiten zu finanzieren. Wohnungsbauunternehmen könnten in strukturschwachen Regionen Mietausfälle "nur sehr kurz überstehen", sagt Hans Maier, Direktor des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen.

Ein staatlicher Fonds biete die Möglichkeit, "das häufig gute Miteinander im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter aufrechtzuerhalten", sagt Claus O. Deese, Vorstand des Mieterschutzbundes. Auch an die Zeit nach der Pandemie müsse gedacht werden. Deese fragt: Was passiert, wenn die Einnahmen so nachhaltig wegbrechen, dass bis Ende Juni 2022 der Rückstand nicht ausgeglichen werden kann?

"Das von der Bundesregierung beschlossene Maßnahmenpaket bleibt deutlich hinter den Möglichkeiten zurück", kritisiert auch Professor Nikolaus Meyer. Viele Betroffene hätten bereits Altschulden, die zum Wohnungsverlust führen könnten, sagte der Sozialwissenschaftler von der Hochschule IUBH in Frankfurt am Main. "Es muss egal sein, wann die Schulden aufgebaut wurden." Ab sofort dürften generell keine Wohnungen mehr zwangsweise geräumt werden, fordert er.

Dirk Baas