Berlin (epd). Wer wegen der Corona-Krise länger in Kurzarbeit ist, kann mit einer Aufstockung des Kurzarbeitergeldes rechnen. Die Spitzen der großen Koalition haben sich in der Nacht zum 23. April in Berlin auf eine zeitlich gestaffelte Erhöhung verständigt. Der Beschluss wurde auch von der Opposition begrüßt, aber als nicht weitreichend genug kritisiert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte sich zufrieden.
Wie CDU, CSU und SPD nach den nächtlichen Beratungen des Koalitionsausschusses mitteilten, sollen je nach Bezugsdauer bis zu 80 Prozent des Lohnausfalls ausgeglichen werden, bei Haushalten mit Kindern bis zu 87 Prozent. Auch für Arbeitslose wurden höhere Leistungen vereinbart. Schülerinnen und Schüler erhalten Unterstützung für den digitalen Unterricht.
Arbeitsminister Heil sagte, Kurzarbeit sichere in der Krise Millionen von Arbeitsplätzen. Die Lohnkürzung treffe aber viele Beschäftigte hart, gerade Familien hätten das zu spüren bekommen. Man helfe denen, die länger in Kurzarbeit seien. Der SPD-Politiker bezeichnete die Einigung mit der Union als eine "gute Lösung". Die SPD hatte eine Aufstockung auf 80 Prozent für die Sommermonate gefordert, die Unionsspitze hatte das abgelehnt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in ihrer Regierungserklärung, für die Bewältigung der Pandemie seien Hilfen in einer Höhe beschlossen worden, die vorher "schlicht außerhalb unserer Vorstellung lag". Die Pandemie habe Deutschland "in einer Zeit gesunder Haushalte und starker Reserven getroffen". Dies helfe jetzt.
Bislang beträgt das Kurzarbeitergeld 60 beziehungsweise 67 Prozent des Nettoeinkommens. Es soll für diejenigen, die ihre Arbeitszeit um mindestens 50 Prozent reduziert haben, ab dem vierten Monat auf 70 Prozent und ab dem siebten Monat auf 80 Prozent erhöht werden, für Eltern auf 77 beziehungsweise 87 Prozent. Das soll längstens bis Jahresende gelten.
Wegen der wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung haben inzwischen mehr als 700.000 und damit rund ein Drittel der Betriebe in Deutschland Kurzarbeit für ihre Beschäftigten beantragt.
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer lehnte die Erhöhung als zu pauschal ab. Sie diene nicht der gezielten Bekämpfung von Notlagen im Einzelfall, sondern befeuere nur Erwartungen an die Sozialstaat, die diesen langfristig finanziell überforderten, erklärte er.
Opposition und Sozialverbände begrüßten den Koalitionsbeschluss zwar, kritisierten aber, dass er nicht weit genug gehe. Grüne, Linke und AfD forderten eine sofortige Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Geringverdiener bräuchten das Geld sofort, wenn sie keine Rücklagen haben.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßte die Koalitionsbeschlüsse für Beschäftigte, kritisierte aber, dass Haushalten in Armut weiterhin nicht geholfen werde. Sozialverbände, Grüne und Linke fordern Aufschläge auf die Hartz-IV-Regelsätze und die Grundsicherung für Rentner, weil die Lebensmittel teurer werden und viele Hilfsangebote derzeit wegfallen.
Der Koalitionsausschuss vereinbarte ferner, dass ab dem 1. Mai bis Jahresende Kurzarbeiter in allen Branchen ein Einkommen bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens hinzuverdienen dürfen. Bisher gilt das nur für Zusatzjobs in systemrelevanten Betrieben und Einrichtungen. Arbeitslose, deren Arbeitslosengeld I zwischen dem 1. Mai und 31. Dezember ausliefe, erhalten die Leistung drei Monate länger.
Frank Werneke, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), sagte: "Der jetzt gefundene Kompromiss ist ein Erfolg der gewerkschaftlichen Bemühungen um eine Anhebung des Kurzarbeitsgelds. Es ist gelungen, gegen den Widerstand in der Union und leider auch den meisten Arbeitgeberverbänden eine Erhöhung durchzusetzen."
Kritisch anzumerken sei, dass die Erhöhung erst ab dem vierten Monat einsetze und dann auch nur auf 70 beziehungsweise 77 Prozent: "Das geht an der Wirklichkeit vieler Beschäftigter mit Kurzarbeit in Dienstleistungsbranchen mit niedrigen Einkommen und einem hohen Anteil an Teilzeitarbeit weitgehend vorbei", stellte Werneke klar.
Außerdem beschloss die Koalition, Schülerinnen und Schüler wie auch Schulen mit 500 Millionen Euro bei der Digitalisierung zu unterstützen. Bedürftige Schüler erhalten einen Zuschuss von 150 Euro für die Anschaffung digitaler Geräte, auf die sie während der Schulschließungen besonders angewiesen sind. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, dass alle Kinder technisch ausgestattet sind, sei eine Frage der Chancengerechtigkeit. Die Pandemie dürfe nicht dazu führen, dass Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern weiter abgehängt würden.