München (epd). Die Nachrichten zur Corona-Krise in Italien sind beängstigend. Die Ansteckungen nehmen weiter zu, ebenso die Zahl der Todesfälle. Und was für Italien schon länger gilt - eine massive Beschneidung des öffentlichen Lebens - wurde in Deutschland erst jetzt durch die Ausgangseinschränkungen wahr. "Mich hat es schon seit langem geärgert, dass man hier so getan hat, als könne das den Deutschen nicht passieren", sagt Claudia Vittore. Die Computerlinguistikerin arbeitet bei einem Elektronikkonzern in München und ist eine der rund 22.000 Menschen in der bayerischen Landeshauptstadt mit italienischen Wurzeln. Wie viele andere auch leidet sie unter der Reisebeschränkung, der Kontakt zu ihren Eltern ist wegen der Ansteckungsgefahr nur telefonisch möglich.
Die Eltern von Claudia Vittore leben in Rom. Vor dem Ausbruch der Corona-Krise ist sie alle paar Monate zu ihnen in die italienische Hauptstadt geflogen. Das geht jetzt nicht mehr, auch die Autobahn über den Brenner ist dicht. "Wir sind schon traurig", sagt sie, "das ist eine belastende Situation, so weit entfernt von den Eltern zu sein und nicht helfen zu können. Ich mache mir Sorgen", sagt sie.
2012 ist sie nach München gekommen, derzeit arbeitet sie im Homeoffice. Ihre Großmutter lebt in einem Altenheim nahe Rom, natürlich in diesem Alter sehr gefährdet. Claudias Vater hat sie neulich besucht - dazu musste er eine Art Passierschein ausfüllen - es geht ihr wohl so weit gut. Claudia Vittore wollte eigentlich zu Ostern nach Hause fahren, das wird aber nicht gehen. Jetzt hofft sie, dass das vielleicht im Mai oder Juni möglich sein wird. Und sie regt sich noch einmal über ihre Lehrerin im Tanzkurs auf, die von der Krise nichts wissen wollte: "Deutsche, die keinen Kontakt zu Italien haben, glauben, es wird nicht so schlimm."
Auch für Graziella Sacco ist es belastend, ihre Eltern nicht sehen zu können. Die Übersetzerin lebt seit gut zehn Jahren in München, ihre Eltern leben in einer kleinen Stadt im Friaul. "Sie haben die Metzgerei geöffnet, deshalb mache ich mir Sorgen", sagt sie. Wegen der Kontakte mit den Kunden. Ihre Beziehung zu den Eltern war immer eng, diese kamen oft zu Besuch in München, vor allem seit die beiden Söhne zur Welt gekommen sind.
Diese Unterstützung durch die Anwesenheit der Mutter ist momentan nicht möglich. Man telefoniert, aber Graziella merkt, die Eltern wollen sie nicht belasten. Das gilt auch andersherum, seit die Situation sich in Deutschland verschärft. Und dann sind da noch die Großeltern väterlicher und mütterlicherseits. "Die Familie kümmert sich darum", weiß Graziella. Auch für sie ist die momentane Situation schwer.
Auch in Spanien ist die Lage dramatischer als in Deutschland. Dort leben die Eltern von Carmen Navarro, die als Übersetzerin in München arbeitet. "Gott sei Dank wohnen sie in Grenada und nicht in Madrid", sagt die Mutter zweier Töchter, "dort ist es besonders schlimm." Die Eltern sind jenseits der 70 und bleiben zu Hause, soweit es geht. Zweimal pro Woche bekommen sie Essen von einem Imbiss geliefert, der Vater geht ab und zu Brot kaufen. Und eine Schwester kauft ein, stellt die Nahrungsmittel unten in den Aufzug, den oben die Eltern öffnen.
Carmen Navarro wollte an Ostern nach Grenada fliegen, das ist jetzt vorbei. Sie telefonieren mehrmals täglich, ab und zu sehen sie sich per Videokonferenz. "Ich habe ein bisschen Angst, dass meine Eltern zu wenig Bewegung haben", sagt Carmen. Jetzt hat sie ihnen ein Programm im spanischen Fernsehen empfohlen, das sich von 9 bis 9.30 Uhr an die zu Hause sitzenden Spanier wendet. Der Name: "Bewegung für alle".