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Warum es bei Nebel keine Luftrettung gibt




Rettungshubschrauber "Christoph 2" in Frankfurt am Main
epd-bild/Jochen Günther
Bei schlechter Sicht dürfen Rettungshubschrauber in Deutschland nicht fliegen - in anderen europäischen Ländern schon. Das technische Verfahren, das das ermöglichen würde, ist in Deutschland nicht zugelassen.

Vor kurzem hatte Claudia Derichs wieder mal so einen Fall, bei dem das Warten lebensgefährlich ist: Sie hatte einen Mann nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand wiederbelebt, jetzt musste der Patient so schnell wie möglich von der Nordseeinsel Amrum ins Krankenhaus in Flensburg. Aber im dichten Schneetreiben konnte der Rettungshubschrauber auf dem Festland nicht fliegen.

Zwei Tage später starb der Patient

"Wir haben dann einen Seenotkreuzer gerufen. Bis der Mann im Krankenhaus war, dauerte es drei Stunden. Mit dem Hubschrauber wären es 15 Minuten gewesen", berichtet Derichs. Zwei Tage später starb der Patient. "Ob er mit Rettungshubschrauber überlebt hätte, weiß man natürlich nicht", sagt Derichs. Aber wenn ein Patient spätestens 90 Minuten nach einem Infarkt im Krankenhaus ankomme, seien seine Chancen grundsätzlich besser.

Es ist kein Einzelfall, dass der Rettungshubschrauber nicht kommen kann. Nach Schätzungen der DRF Luftrettung in Stuttgart fällt in manchen Regionen Deutschlands jeder zehnte Flug wegen der Witterung aus. "Betroffen sind vor allem Regionen mit viel Wasser - etwa die Halligen oder Gebiete an großen Flüssen", sagt Skadi Stier, Sprecherin der Deutschen Luftrettung in Filderstadt.

Gerade hier müssten Patienten oft auf eine optimale Gesundheitsversorgung verzichten, sagt Florian Reifferscheid von der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands. "Wären Hubschrauber öfter verfügbar, wäre das ein Beitrag dazu, Leben zu retten und schwere körperliche Schäden zu vermeiden."

Nach Ansicht der Luftrettung existiert bereits eine solche Technik, die das ermöglicht: Sie trägt den Namen "Point in Space" (PinS) und wird beispielsweise in Dänemark und Norwegen eingesetzt. Dabei wird in der Luft mit Hilfe eines Satelliten ein virtueller GPS-Punkt gesetzt, den der Pilot dann anfliegen kann. "Dann könnten gerade Patienten mit Herzinfarkten oder Schlaganfällen schneller in ein passendes Klinikum gebracht werden", sagt Stier von der Luftrettung.

Mit "Point Space" durch dichten Nebel

Allerdings darf die Luftrettung in Deutschland die Technik bislang nicht verwenden. Das deutsche Luftraumrecht müsste dafür an eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2012 angepasst werden. Das soll auch geschehen, benötigt aber noch Zeit, wie das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage erläuterte. Zwar sei der Bund für die Einrichtung von Flugverfahren wie PinS zuständig. "Der Rettungsdienst liegt aber im Zuständigkeitsbereich der Länder", so eine Sprecherin. "Gerade in diesen Fragen ist aufgrund ihrer detaillierteren Ortskenntnisse eine Beteiligung der Bundesländer erforderlich." Eine Prognose, wie lange es dauern könnte, bis das Verfahren verwendet werden könnte, gibt es vom Ministerium nicht.

"Wir hoffen auf baldige eine Umsetzung durch das Bundesverkehrsministerium. Unsere Arbeit wäre dann sicher einfacher", sagt Luftrettungs-Sprecherin Skadi Stier. Die Organisation würde gerne PinS im Rahmen eines Pilotprojekts im Wattenmeer testen - dort, wo auch Ärztin Claudia Derichs auf Rettungsflüge angewiesen ist. "Wir brauchen eine rechtliche Grundlage für das PinS-Verfahren. Das muss das Bundesverkehrsministerium regeln", sagte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP).

Claudia Derichs sieht das ähnlich. "Es kann nicht sein, dass es ein Unterschied ist, ob man einen Herzinfarkt im Sommer bekommt oder im Winter bei Nebel", sagt sie.

Sebastian Stoll