Hamm (epd). Kliniken sollten einen Kaiserschnitt, der allein auf Wunsch der werdenden Mutter erfolgt, nicht mit einer Mindestpersonal-Besetzung vornehmen. Denn wird der Eingriff nicht mit der "maximalen Planung" vorbereitet und der "obere Rand der ärztlichen Qualität" nicht eingehalten, können das Krankenhaus und die behandelnden Ärzte für den Tod der Mutter haften, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 10. Dezember 2019. Die Hammer Richter ließen die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu.
Im konkreten Fall ging es um eine schwangere Frau, die im Juni 2012 wegen des Verdachts eines Blasensprungs und leichter Blutungen zur Geburt ihres Kindes ins Krankenhaus kam. Als die Geburt begann und die Wehen einsetzten, verlangte sie wegen der Schmerzen einen Kaiserschnitt. Medizinisch war dies nicht erforderlich.
Unter Vollnarkose führten die anwesende Oberärztin und der diensthabende Arzt den Kaiserschnitt auch durch. Bei der Mutter entwickelte sich jedoch eine nicht mehr zu kontrollierende Blutung. Parallel dazu musste die Oberärztin wegen einer weiteren Problemgeburt den OP-Saal zeitweise verlassen. Auch der später hinzugerufene Chefarzt der Frauenklinik sowie der Oberarzt der Gefäßchirurgie konnten mehrfache Wiederbelebungen und schließlich den Tod der Frau wegen Multiorganversagens nicht verhindern.
Der Ehemann der Verstorbenen sowie die zwei Kinder verlangten Schadenersatz in Höhe von mehr als 140.000 Euro sowie für die Beaufsichtigung und Erziehung der Kinder einen Betreuungsunterhaltsschaden in Höhe von monatlich 3.256 Euro. Das Schmerzensgeld war nicht beziffert.
Es habe kein ausreichendes Personal für den Kaiserschnitt zur Verfügung gestanden, weil gleichzeitig noch eine andere Risikogeburt gelaufen sei. Der Eingriff sei dennoch ohne ausreichende medizinische Notwendigkeit vorgenommen worden. Auch die Aufklärung der Kindesmutter über die Risiken des Kaiserschnitts nach bereits begonnener Geburt sei unzureichend erfolgt.
Das OLG urteilte, dass der Kaiserschnitt fehlerhaft erfolgte. Ein Kaiserschnitt, der allein auf Wunsch der Kindesmutter vorgenommen wird, müsse "sowohl unter organisatorischen als auch personellen Gesichtspunkten mit maximaler Sorgfalt vorbereitet werden". Der "obere Rand der ärztlichen Qualität" sei dabei einzuhalten.
Dies habe hier die Klinik aber nicht sichergestellt. Die behandelnden Ärzte hätten sich in dieser Situation nicht auf den Wunsch der Patientin einlassen dürfen.
Vor diesem Hintergrund könne es dahinstehen, ob die Patientin über die Blutungsrisiken richtig aufgeklärt worden sei. Äußere jedoch eine Mutter mit Beginn der Geburt überraschend den "unvernünftigen Wunsch" nach einem Kaiserschnitt, müsse ihr im Gespräch "auch die bestehende Gefahr des Todes deutlich vor Augen geführt werden", erklärte das OLG zu den Aufklärungspflichten der Ärzte. Über die Höhe des Schmerzensgeldes und des Schadenersatzanspruchs entschied das Gericht noch nicht.
Bereits am 28. August 2018 hatte der BGH geurteilt, dass ein Arzt bei konkreten Hinweisen einer drohenden Problemgeburt Schwangere über einen Kaiserschnitt als Behandlungsalternative frühzeitig aufklären müssen. Erfolgt die Aufklärung erst, wenn nur noch ein "eiliger Kaiserschnitt" infrage kommt, stellt dies einen Behandlungsfehler dar, für den Ärzte und Klinik haften können.
Ähnlich hatte der BGH zur Aufklärungspflicht bei einem Kaiserschnitt am 28. Oktober 2014 entschieden. Danach müssen Ärzte bei der "ernsthaften Möglichkeit" eines Kaiserschnitts die Patientin frühzeitig über Risiken, Vor- und Nachteile des Eingriffs aufklären. Wenn sich die Gefahrenlage dann tatsächlich deutlich zuspitzt, sind entsprechende Informationen, nicht aber eine erneute Aufklärung erforderlich.
Während eines Kaiserschnitts müssen Klinik und behandelnde Ärzte sicherstellen, dass die verwendeten Geräte einwandfrei funktionieren, urteilte der BGH am 24. Juli 2018. Wird ein CTG-Gerät, welches die Wehentätigkeit der Mutter und die Herztöne des Kindes misst, beim Papierwechsel an einem Stecker beschädigt, reicht es nicht aus, den Schaden mit einem Pflaster notdürftig zu reparieren.
Führt der Reparaturversuch zu lückenhaften Aufzeichnungen und einer unzureichenden Überwachung des Kindes, stellt dies ein Behandlungsfehler dar, für den Klinik und Ärzte im Fall eines Geburtsschadens haften können.
Az.: 26 U 2/18 (OLG Hamm, Wunsch-Kaiserschnitt)
Az.: VI ZR 509/17 (BGH, Aufklärungspflicht Kaiserschnitt)
Az.: VI ZR 125/13 (BGH, Aufklärungspflicht zugespitzte Gefahrenlage)
Az.: VI ZR 294/17 (BGH, Geräte)