

Gießen, Frankfurt (epd). Das Landgericht Gießen muss sich nochmals mit dem Verfahren gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel befassen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat das Urteil aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen. Der mittlerweile geänderte Strafrechtsparagraf 219a sei zugunsten der angeklagten Ärztin anzuwenden, teilte das OLG am 3. Juli mit.
Die Allgemeinmedizinerin Hänel ist im November 2017 vom Amtsgericht Gießen wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Gießen verwarf im vergangenen Jahr ihre Berufung gegen das Urteil. Hänel legte daraufhin Revision beim OLG ein. Die Ärztin informiert auf der Internetseite ihrer Praxis darüber, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.
Seit dem 29. März gelte eine neue Fassung des Paragrafen 219a, sagte die Sprecherin des OLG, Gundula Fehns-Böer, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Landgericht Gießen habe in seinem Urteil diese neue Fassung nicht anwenden können, weil sie damals noch nicht galt. Das OLG mache in einem Revisionsverfahren aber eine "reine Rechtsprüfung". Deshalb muss das Landgericht Gießen nun erneut entscheiden.
Der Paragraf 219a verbietet die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche aus wirtschaftlichen Interessen oder in "grob anstößiger Weise". In der Vergangenheit führte das auch zu einer Verurteilung von Ärzten, die aus ihrer Sicht rein sachlich über Abtreibungen informiert haben.
Das Urteil gegen Hänel hatte eine bundesweite Protestwelle ausgelöst. Im Februar beschloss der Bundestag daraufhin einen Kompromiss zum Strafrechtsparagrafen 219a. Ärzten ist es demnach künftig erlaubt, darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Für weitere Informationen, etwa über Methoden, müssen sie aber an dafür befugte Stellen verweisen.
Das Urteil sei aus formalen Gründen zurückverwiesen worden, schrieb Hänel in einer Reaktion auf Twitter. Sie sei nicht freigesprochen worden: "Kein Schritt nach vorne, sondern zwei zurück." Das OLG habe nicht entschieden, ob ihr Fall nach dem neuen Paragrafen 219a strafbar sei. "Ist es aber. Leider", schrieb Hänel.
Auch der AWO-Bundesvorstandsvorsitzende Wolfgang Stadler erklärte, Kristina Hänel sei nicht entlastet worden, "stattdessen muss sie sich erneut wegen reiner Information ihrer Patientinnen vor Gericht verantworten". Das Urteil des Oberlandesgerichts zeigte, dass wir es mit einer unklaren Rechtslage zu tun haben. "Nur die Streichung des Paragraf 219a im Strafgesetzbuch wird zu einer Verbesserung der Situation führen."
Az.: 1 Ss 15/19