

Backnang (epd). Anderthalb Jahre lang stand das Gebäude in der Backnanger Marktstraße 44 leer. "Ich wollte es wenigstens probieren", erzählt Markus Kübler, der zunächst wenig Hoffnung hatte, seine Vision von einem Lokal mit sozialem Anspruch in den Räumlichkeiten des ehemaligen Gourmetrestaurants "Rilke" umsetzen zu können. Doch sein Konzept überzeugte die Eigentümerin Claudia Bernhard. Vor einem Jahr, am 27. Juni 2018, war es so weit: Das Café-Restaurant Segenswerk eröffnete.
Hier können Besucher in stilvollem Ambiente eine Auszeit vom Alltag nehmen und Frisches und Regionales zu erschwinglichen Preisen genießen. Ein Schwerpunkt sind selbst gemachte Maultaschen mit Rind, Lachs und Brezel-Feta, die es auch zum Mitnehmen gibt. "Pro 100 Gramm zu 1,30 Euro verkaufter Maultaschen gehen zehn Cent an das neue Hospiz in Backnang", erklärt der gelernte Koch und Kaufmann Markus Kübler. Außerdem spendet das Segenswerk einen Euro pro Hauptgang an Sternentraum 2000 e.V., um Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen Krankheit oder Behinderung einen Herzenswunsch zu erfüllen.
Küblers Vision: "Einen Platz schaffen für Menschen, die keinen Platz haben". Viele Gäste unterstützen ihn dabei, indem sie im "Segenswerk" nicht nur selbst speisen, sondern auch Essensgutscheine für Bedürftige kaufen, die sich sonst keinen Restaurantbesuch leisten könnten. Bisher konnten 75 gespendete Gutscheine für Kinder zu je fünf Euro und 25 Gutscheine für Erwachsene zu je zehn Euro über den Förderverein Segenswerk an den Verein Kinder- und Jugendhilfe Backnang weitergegeben werden, der diese gezielt verteilt.
Gäste aus allen sozialen Schichten und verschiedener Herkunft wünscht sich der engagierte freikirchliche Christ Kübler, der Gläubige unterschiedlicher Kirchengemeinden genauso zusammenbringen will wie Menschen mit wenig Bezug zum christlichen Glauben. "Essen verbindet", weiß der gelernte Koch.
Und weil er Menschen schützen möchte, für die Alkohol eine Gefährdung bedeutet, stehen auf der Getränkekarte neben hausgemachten Limonaden und den üblichen Heiß- und Kaltgetränken nur alkoholfreie Weine und Biere. Auch im Team ist Platz für schutzbedürftige Menschen. Der Koch hat einen Beikoch, mit dem er Hand in Hand arbeitet. Lars Hoos, der einen Behinderungsgrad von 100 Prozent hat, hat seine Ausbildung am Berufsbildungswerk Waiblingen absolviert.
Der fröhliche 27-Jährige, der einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat, ist leidenschaftlich gerne im Segenswerk tätig. "Ich komme mit allen Kollegen gut zurecht und werde akzeptiert. Ich freue mich, dass mein Arbeitgeber wirklich mit Behinderten arbeiten möchte, das gibt es nämlich nicht allzu oft."
Petra G. ist im Servicebereich tätig, unterstützt von 9 bis 14 Uhr eine Kollegin beim Frühstück und Tagesessen. Aufgrund einer psychischen Erkrankung lebt sie derzeit in einem Heim der diakonischen Paulinenpflege. Nach einem dreiviertel Jahr Arbeit in den Backnanger Werkstätten ist sie froh über neue Erfahrungen, die sie im Segenswerk sammeln kann und die ihr auf dem Weg zu einer eventuellen späteren Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt helfen können. Sie hat jetzt einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz, das heißt, dass sie nach wie vor bei der Paulinenpflege angestellt ist, aber außerhalb arbeitet.
Markus Kübler freut sich auf einen weiteren Mitarbeiter mit Handicap, der im November im Segenswerk beginnen wird. "Steffen wird eine echte Bereicherung", sagt er über den Mann mit Down-Syndrom, den er von einem zweiwöchigen Praktikum kennt und der vom Christopherus-Haus in der Laufenmühle Welzheim kommt.
Im Erdgeschoss des Restaurants kann man Geschenkkörbe erwerben - handgearbeitet in den Backnanger Werkstätten der Paulinenpflege. Auch der Inhalt, der auf Wunsch individuell zusammengestellt wird, kommt von sozialen Einrichtungen: Dosenwurst vom Paulinenhof oder Kaffee vom Kaffeewerk Zollernalb. Es geht darum, Teilhabe und Integration für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen.
Die Unternehmergesellschaft "Segenswerk" trägt sich noch nicht und ist auf Spenden aus der Förderstiftung Segenswerk angewiesen. Vor allem abends wünscht sich Kübler noch mehr Gäste. Er bietet auch Events wie Jazz-Frühstück, Märchenabend, monatliche Vorträge von "Christen im Beruf" oder Mutter-Kind-Treffen.