

Kassel (epd). Behinderte Schüler müssen auch an einer freiwilligen Nachmittagsbetreuung einer offenen Ganztagsschule teilnehmen können. Bezweckt die Nachmittagsbetreuung die Schüler bei ihrem Schulbesuch zu unterstützen und diesen zu erleichtern, muss der örtliche Sozialhilfeträger für ein behindertes Kind die vollen Kosten für einen erforderlichen Integrationshelfer übernehmen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) am 6. Dezember in Kassel.
Der in der Schule eingesetzte Integrationshelfer muss dann unabhängig vom Einkommen der Eltern von der Sozialhilfe finanziert werden. Nur wenn das behinderte Kind einen Integrationshelfer zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben benötigt, ist ein Kostenerstattungsanspruch vom Einkommen der Eltern abhängig.
Die beiden Kläger vor dem BSG waren wegen eines Down-Syndroms geistig behindert und besuchten Regelgrundschulen in Bielefeld. Die Stadt gewährte für beide die Kostenübernahme für einen Integrationshelfer während des verpflichtenden Schulbesuchs am Vormittag. So sollten die Schüler sich besser in der Klasse zurechtfinden und den Lernstoff bewältigen können.
Im ersten Fall hatte der Gutachter gerade für die Anfangszeit in der Schule eine umfassende individuelle Begleitung als "dringend erforderlich" angesehen. Nach dem Vormittagsunterricht ging der behinderte Schüler mit seinen Klassenkameraden zur Nachmittagsbetreuung, die als sogenannte "Offene Ganztagsschule" (OGS) angeboten wurde.
Träger des Nachmittagsangebots war die "Evangelische Jugend und Schule e. V." Die Kinder erhielten dort ein Mittagessen und wurden bei den Hausaufgaben von einem Lehrer und einer pädagogischen Fachkraft betreut. Sie konnten zudem verschiedene Freizeitangebote wie Kunst, Tanz oder ähnliches wahrnehmen.
Die Stadt Bielefeld hatte der Mutter des Klägers ebenso wie im zweiten Verfahren die Kostenerstattung eines Integrationshelfers nur für den verpflichtenden Schulbesuch vormittags gewährt. Die Nachmittagsbetreuung sei dagegen freiwillig, ein Integrationshelfer dann nicht mehr erforderlich. Der Schüler könne seine Hausaufgaben auch zu Hause machen.
Die Mutter streckte die Kosten für die Integrationshilfe in Höhe von über 4.900 Euro vor und wollte diese nun auf dem Klageweg wieder erstattet bekommen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen lehnte die Kostenerstattung der Integrationshilfe für die Nachmittagsbetreuung ab. Das Kind könne die dort betreuten Hausaufgaben zu Hause erledigen. Die Nachmittagsbetreuung sei freiwillig und nicht verpflichtend. Zwar gehöre der behinderte Schüler zum Personenkreis, für den ein Integrationshelfer infrage komme.
Eine volle Kostenübernahme des Sozialamtes sei aber nur möglich, wenn der Schulbesuch "erforderlich" ist. Hier sei die Nachmittagsbetreuung aber freiwillig, so das LSG.
Doch auf einen verpflichtenden Unterricht kommt es für den Kostenerstattungsanspruch nicht an, urteilte das BSG. Die Sozialhilfe sei generell verpflichtet, Hilfen für eine angemessene Schulbildung zu gewähren. Ziele die Nachmittagsbetreuung einer offenen Ganztagsschule auf eine Unterstützung, Erleichterung oder Ergänzung der Schulbildung, müssten die Kosten für den Integrationshelfer einkommensunabhängig vom Sozialamt übernommen werden.
Anders sehe dies aus, wenn das schulische Nachmittagsangebot lediglich die Zeit überbrücken will, etwa durch gemeinsames Spielen, um so den Eltern eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Dann kommen allenfalls Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Betracht. Die Kostenerstattung für einen Integrationshelfer sei dann vom Einkommen der Eltern abhängig.
Die beiden Fälle verwiesen die Kasseler Richter an das LSG zurück. Dieses muss nun prüfen, was der genaue Zweck der Nachmittagsbetreuung war.
Ähnlich hatte bereits das BSG am 9. Dezember 2016 von mit Integrationshelfern vergleichbaren Schulbegleitern entschieden. Danach können behinderte Schulkinder grundsätzlich die Kostenerstattung für einen "notwendigen" Schulbegleiter beanspruchen. Solange der Schulbegleiter "unterstützende Hilfen" bietet, ist die Sozialhilfe und nicht die Schule zuständig. So sei der Schulbegleiter etwa notwendig, wenn das Kind Lerninhalte "ohne zusätzliche Unterstützung nicht verarbeiten und umsetzen kann". Für die Gewährleistung der allgemeinen Schulbildung selbst sei dagegen die Schule verantwortlich.
Allerdings können behinderte Schüler mit Verweis auf den Schulbesuch sich nicht eine medizinische Therapie von der Sozialhilfe erstatten lassen. Dies stellte am 28. August 2018 das BSG zur sogenannten Petö-Therapie klar. Die Therapie wird bei Kindern mit Hirnschäden eingesetzt. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten nicht.
Ohne Erfolg verwies der behinderte Kläger darauf, dass die Behandlung wegen seines pädagogischen Ansatzes sich positiv auf seinen Schulbesuch auswirke. Auch hier verwies das BSG auf den Zweck der Maßnahme. Diese diene nicht dem Schulbesuch oder der sozialen Rehabilitation, sondern der medizinischen Rehabilitation. Eine Kostenübernahme scheide daher aus, da die Therapie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehöre.
Az.: B 8 SO 4/17 R und B 8 SO 7/17 R (Integrationshelfer Ganztagsschule)
Az.: B 8 SO 8/15 R (Schulbegleiter)
Az.: B 8 SO 5/17 R (Petö-Therapie)