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Experte: Ausgeglichener Lebenstil senkt Demenzrisiko




In Bewegung: Demenzpatienten tanzen gemeinsam in der LVR-Klinik Köln.
epd-bild/Jörn Neumann
Lange galt Demenz als ein Schicksalsschlag, gegen den man nichts machen kann. Heute weiß man, dass sich bis zu einem Drittel aller Alzheimer-Erkrankungen verhindern lassen. Und auch bei den ersten Anzeichen kann noch effektiv eingegriffen werden.

Zwanzig bis dreißig Jahre arbeitet die Krankheit meist schleichend im Verborgenen, bevor sich die allerersten Anzeichen bemerkbar machen. Und auch dann erscheint noch alles ganz harmlos: ein vergessener Termin, ein verlegter Schlüssel, ein Gespräch, bei dem man irgendwie den Faden verliert. Was gern als leichte Zerstreuung abgetan wird, sind oft jedoch erste Symptome einer Demenzerkrankung. Was wenig bekannt ist: Bis zu 30 Prozent der Demenzerkrankungen lassen sich nach Ansicht von Experten verhindern - bei einem ausgeglichenen und gesundem Lebensstil.

"Vor 20 Jahren ging man davon aus, dass Demenz ein Schicksalsschlag ist, gegen den man nichts machen kann", sagt Klaus Besselmann von der Informations- und Koordinierungsstelle der Landesinitiative Demenz-Service NRW. "Heute wissen wir: Dem ist nicht so. Man kann etwas tun." Zum Teil reichten schon ganz einfache Mittel aus, sagt auch Christian Heerdt vom Kuratorium Deutsche Altershilfe in Köln: "Man kann es auf die einfache Formel bringen: körperliche Bewegung, eine gesunde Ernährung und geistige Aktivität."

"Ergebnisse sind ein Grund zur Freude"

Heerdt ist auf deutscher Seite für die Koordination der Gesundheitskampagne SaniMemorix zuständig, die gerade in fünf Ländern gleichzeitig gestartet ist: Neben Deutschland beteiligen sich die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Norwegen. Die Kampagne stützt sich auf die Ergebnisse einer Expertenkommission der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet". "Die Ergebnisse sind wirklich ein Grund zur Freude", sagt die Pflegeexpertin Christine Sowinski.

Weltweit sind 50 Millionen Menschen an Demenz erkrankt, in Deutschland sind es etwa 1,6 Millionen. Je älter ein Mensch wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit: "Mit 70 Jahren liegt das Risiko bei knapp vier Prozent, mit 90 Jahren schon bei gut 44 Prozent", sagt Heerdt. Alzheimer macht zwei Drittel der Erkrankungen aus. Zwar lassen sich die Symptome der Erkrankung durch Medikamente abmildern. "Aber ein Heilmittel gibt es nach wie vor nicht", sagt Tobias Hartmann, der das Deutsche Institut für Demenzprävention der Universität des Saarlandes leitet.

Prävention rückt mehr in den Vordergrund

Jahrzehntelang habe der Forschungsschwerpunkt auf der Suche nach einem Heilmittel gelegen, so Hartmann. Da dies mittlerweile als gescheitert gilt, konzentriert man sich nun auf die Prävention. "Ein aussichtsreicher Forschungsansatz besteht darin, Risikofaktoren zu minimieren." Zu Risikofaktoren gehören etwa eine unausgeglichene Ernährung, zu viel Alkohol, Diabetes, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, ein geistig oder körperlich inaktiver Lebensstil sowie langes Sitzen.

"Wenn nur ein Risikofaktor gegeben ist, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, um 30 Prozent", erläutert Hartmann. Bei zwei Risikofaktoren sei das Risiko schon deutlich höher. "Und bei drei Risikofaktoren nimmt es um fast 600 Prozent zu." Er selbst hat in seinem Arbeitszimmer einen Stehtisch, um nicht zu lange sitzen zu müssen.

Hartmanns eigener Forschungsansatz setzt zu einem späteren Zeitpunkt an, nämlich dann, wenn Betroffene an sich selbst die ersten Symptome einer Erkrankung feststellen: "Sie merken, dass ihr Gedächtnis nachlässt. Und die Forschung zeigt, dass das der ideale Zeitpunkt ist, um einzuschreiten."

Beste Vorbeugung ist geistige Fitness

Denn die geistige Kraft habe bis dahin in der Regel wenig gelitten und auch das Gehirn des Patienten sei noch in guter Verfassung. "Und gleichzeitig ist der Betroffene sehr motiviert." Er sei bereit, Zeit und Energie darauf zu verwenden, ein Voranschreiten der Krankheit zu verhindern. Und das sei wichtig, denn eine Therapie sei mit Aufwand verbunden, so Hartmann.

Die beste Prävention sei tatsächlich, sich geistig fit zu halten, meint Hartmann: "Unser Gehirn leidet unter Unterforderung." Vor allem die soziale Interaktion mit anderen Menschen bringe viel, weil sie eine besondere Herausforderung für das Gehirn sei: "Wenn Sie einen angeregten und netten Abend mit Freunden erleben, ist das beste Alzheimerprävention."

Barbara Driessen