Berlin (epd). Die große Koalition hat sich im Streit um Rente und Arbeitslosenversicherung geeinigt und Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Am 29. August verabschiedete das Bundeskabinett das Rentenpaket, das als wesentlichen Punkt die sogenannte doppelte Haltelinie vorsieht. Sie garantiert bis 2025 ein Rentenniveau von 48 Prozent, während gleichzeitig der Rentenbeitrag nicht über 20 Prozent steigen soll. Zudem soll das Kabinett noch im September eine stärkere Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung als im Koalitionsvertrag verabredet beschließen. Er soll zum 1. Januar 2019 um 0,5 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent des Bruttolohns sinken.
Auch die Verbesserungen bei der Rente sollen bereits im kommenden Jahr in Kraft treten. Das "Kernversprechen" des Sozialstaats, Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Generationen zu gewährleisten, werde damit eingelöst, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Sein Paket, das gegenüber dem Entwurf aus dem Juli nun mit leichten Änderungen ins Kabinett kam, sieht auch Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und der sogenannten Mütterrente vor.
Bei der Mütterrente wird nach dem Kabinettsbeschluss für Erziehungszeiten von vor 1992 geborenen Kindern dann ein zusätzlicher halber Rentenpunkt angerechnet. Das entspricht im Westen einer Rentenerhöhung von 16, im Osten von 15,35 Euro pro Monat und Kind. Zunächst war geplant, nur Mütter oder Väter mit mindestens drei Kindern - dann aber mit einem ganzen zusätzlichen Rentenpunkt - zu berücksichtigen. Von der Ausweitung auf alle profitieren Heil zufolge nun zehn statt drei Millionen Mütter und Väter.
Die höhere Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung war eine Forderung der CDU. Die SPD setzte im Gegenzug einen Ausbau der Förderung beruflicher Weiterbildung durch. Von der vorgesehenen Senkung um 0,5 Prozentpunkte sollen dem Kompromiss zufolge nur 0,4 Prozentpunkte gesetzlich fixiert werden. Der Anteil von 0,1 Prozentpunkten wird bis Ende 2022 befristet. Ob der Beitrag dann wieder steigt, wird Heil zufolge von den Rücklagen bei der Bundesagentur für Arbeit abhängen. Die Koalition einigte sich darauf, dass sie 0,65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen soll. Derzeit entspricht das 22,5 Milliarden Euro.
Der Sozialverband VdK forderte weitere Verbesserungen für Menschen, die bereits jetzt Erwerbsminderungsrente erhalten. Außerdem erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele, es genüge es nicht, das Rentenniveau bei 48 Prozent und nur bis zum Jahr 2025 zu stabilisieren: "Ziel muss es sein, dass das Rentenniveau über 2025 hinaus stabilisiert und auf 50 Prozent angehoben wird, damit das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung wieder gestärkt wird.
Bentele begrüße die im Rentenpaket geplanten höheren Erwerbsminderungsrenten durch die Anhebung der Zurechnungszeiten. "Davon sollten aber nicht nur Menschen profitieren, die ab 2019 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente gehen müssen, sondern auch die Bestandsrentner", ergänzte die Chefin des mitgliederstarken Verbandes. Sie dürften nicht leer ausgehen, da es schon jetzt ein massives Armutsproblem bei Erwerbsminderungsrentnern gebe.
Während der Deutsche Gewerkschaftsbund das Rentenpaket als Stärkung der gesetzlichen Altersvorsorge lobte, kam von der Opposition Kritik. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr erklärte, der Beschluss bedeute eine faktische Rentenbeitragserhöhung und steigende Bundeszuschüsse aus Steuergeldern. Heil will von 2021 bis 2024 einen sogenannten Demografiefonds mit zwei Milliarden Euro jährlich ansparen.
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer nannte das Rentenpaket unfair. Denn es werde auf nachfolgende Generationen als milliardenschwerer Kostenbumerang zurückkommen. Die beste Rentenpolitik sei eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Um das Rentensystem sei stabilisieren, forderte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eine leistungsstarke Bildungspolitik und eine gezielte Zuwanderung.
Die Grünen wiederholten ihre Forderung nach einer Bürgerversicherung bei der Rente. Der Rentenpolitiker Markus Kurth (Grüne) sagte, alle Erwerbstätigen, also auch Selbstständige, Abgeordnete und Beamte müssten einzahlen, um über den "demografischen Berg" zu kommen. Linken-Chef Bernd Riexinger kritisierte, die SPD sei mit ihrem Vorhaben gescheitert, das Rentenniveau über 2025 hinweg festzuschreiben. Altersarmut werde damit zudem nicht verhindert.
Die SPD hatte in der Diskussion eine Rentengarantie bis 2040 gefordert. Bei der Union stieß das aber auf Widerstand, nachdem im Koalitionsvertrag nur die Haltelinie bis 2025 vereinbart wurde. Über die Zeit danach soll beschlossen werden, nachdem die von der großen Koalition eingesetzte Renten-Kommission ihre Ergebnisse vorgelegt hat. Arbeitsminister Heil betonte, sein Ziel bleibe, das Rentenniveau dauerhaft nicht unter 48 Prozent fallen zu lassen. Wenn das in dieser Wahlperiode nicht beschlossen werden könne, werde seine Partei dies im nächsten Bundestagswahlkampf zum Thema machen.