sozial-Branche

Internet

Sucht

Interview

Suchtmediziner: "Es gibt kein Online-Rudel"




Kurosch Yazdi
epd-bild/Michael Appelt
Der österreichische Suchtmediziner Kurosch Yazdi problematisiert die Sucht nach Sozialen Netzwerken: "Gerade viele junge Menschen haben nur noch Online-Freundschaften", sagte im Interview des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Kurosch Yazdi hat zusammen mit Co-Autor Ben Springer ein Zehn-Punkte-Programm entworfen, von Facebook loszukommen: "Klick und Weg - Das Facebook-Aufhörbuch" ist am 14. April erschienen. Yazdi leitet als Chefarzt die Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin des Kepler Universitätsklinikums Linz. Elisa Makowski stellte drei Fragen an den Autor und Suchtmediziner.

epd sozial: Herr Yazdi, warum plädieren Sie in Ihrem Buch dafür, mit Facebook ganz aufzuhören?

Kurosch Yazdi: Ich sage ja nicht, dass jeder Mensch auf der Welt aufhören soll. Es gibt viele Menschen, die in einem sinnvollen Ausmaß die Sozialen Netzwerke konsumieren und sich damit nicht schaden. Das ist wie bei Alkohol. Mir geht es um solche Menschen, die ihren Online-Konsum derart übertrieben haben, dass sie ein echtes Problem entwickelt haben. Da gibt es zwei Arten von Menschen: Die einen schaffen es, ihren Konsum so weit in den Griff zu bekommen, dass sie sich nicht mehr schaden. Und die, für die es leichter ist, ganz aufzuhören.

epd: Soziale Medien zu nutzen, mache einsam, kritisieren sie. Jedoch kann man über Facebook alte Freunde treffen, chatten und neue Bekanntschaften schließen. Ist das alles nur Einbildung?

Yazdi: Ursprünglich wurden Soziale Netzwerke dafür gemacht, damit Menschen, die sich in der realen Welt kennen, zusätzlich auch online in Kontakt bleiben können. Doch mittlerweile ist es bei ganz vielen jungen Menschen umgekehrt: Die lernen Hunderte Menschen online kennen, die sie noch nie in Echt gesehen haben und auch nie sehen werden. Gerade viele Jugendliche haben nur noch Online-Freundschaften.

epd: Heutzutage ist es normal, online und offline Freundschaften zu haben. Warum unterscheiden Sie da in der Qualität?

Yazdi: Menschen sind Rudeltiere, wir kommunizieren nicht nur über Worte, sondern ganz, ganz viel nonverbal und das ist der wichtigere Teil: Wie schaut mein Gegenüber aus, wie riecht er, wie kommt er auf mich zu, berührt er mich oder nicht? Sie können, wenn Sie jemandem die Hand geben oder umarmen, hundertausendmal besser sagen, ob Ihnen der Mensch passt, als wenn Sie mit ihm Hunderte Briefe wechseln. Wenn Sie also ausschließlich über Kurznachrichten-Dienste kommunizieren, dann fehlen ihnen genau diese Informationen, damit eine echte Beziehung zustande kommen kann. Es gibt eben keine Online-Rudel.


« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

Kiffen mit 12, Speed mit 14

Eine Schule in Frankfurt gibt Jugendlichen mit Suchtproblemen eine zweite Chance: Am Bildungszentrum Hermann Hesse können ehemals drogenabhängige Jugendliche ihren Abschluss nachholen. Statt Abstürzen und Ausgrenzung sollen sie Erfolg und Gemeinschaft erleben.

» Hier weiterlesen

Pflegekräfte vermissen nach Übergriffen Hilfe vom Arbeitgeber

Pflegekräfte, die Opfer von Übergriffen durch Patienten werden, erfahren im Anschluss oft keine Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Gewalt in der Pflege sei ein "bekanntes und verbreitetes Phänomen", sagte der Kölner Pflegewissenschafter Daniel Tucman am 17. April beim "Pflegetag Rheinland-Pfalz" in Mainz. In der Hälfte aller Kliniken und Pflegeeinrichtungen fehlten jedoch Ansprechpartner, an die sich Gewaltopfer wenden können, berichtete er aus einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung.

» Hier weiterlesen

Kirchliche Versicherungsgruppe steigert Einnahmen

Der Unternehmensgruppe "Versicherer im Raum der Kirchen" (VRK) hat seine Bruttobeitragseinnahmen im vergangenen Jahr um 1,4 Prozent auf 497,8 Millionen Euro gesteigert. Drei der vier VRK-Gesellschaften steigerten ihre Einnahmen, die Familienfürsorge Lebensversicherung verzeichnete hingegen einen Rückgang, wie die VRK am 13. April mitteilte. Der Kapitalanlagenbestand sei um 3,2 Prozent auf knapp 4,38 Milliarden Euro gewachsen.

» Hier weiterlesen