sozial-Politik

Tarifstreit

Warnstreik an katholischer Klinik im Saarland




Ver.di kämpft an den Kliniken für mehr Personal.
epd-bild/Christian Ditsch
Eine Mindestpersonalausstattung und eine bessere Ausbildung: Dafür sind Mitarbeiter der katholischen Marienhausklinik im saarländischen Ottweiler erstmals im Warnstreik. Nach kirchlichem Arbeitsrecht ist ein Streik eigentlich nicht erlaubt.

Beschäftigte der katholischen Marienhausklinik im saarländischen Ottweiler sind 11. Oktober in den Warnstreik getreten. Die Gewerkschaft ver.di hatte zu dem 24-stündigen Streik aufgerufen. Die Arbeitgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes kritisierte das Vorgehen. Warnstreiks führten nicht zu mehr Pflegepersonal, zumal es im verfassungsrechtlich geschützten sogenannten Dritten Weg weder Streik noch Aussperrung gebe, erklärten sie. Die Gewerkschaft ver.di zog eine positive Zwischenbilanz der Streiks in sechs Kliniken mehreren Bundesländern. Der Sozialwissenschaftler Stefan Sell kritisierte das kirchliche Arbeitsrecht.

Wie bei den bundesweiten Streiks im September fordert ver.di einen Tarifvertrag mit einer festgelegten Mindestpersonalausstattung und eine Verbesserung der Ausbildungsqualität. "Die Beteiligung an den Streiks zeigt: Immer mehr Beschäftigte setzen sich offensiv und mit Nachdruck für eine spürbare Entlastung im Krankenhaus ein", sagte ver.di-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. Weitere Streiks seien nicht ausgeschlossen: "Wir erhöhen die Schlagzahl."

Dritter Weg kennt keinen Streik

In der evangelischen und der katholischen Kirche gilt im Arbeitsrecht der sogenannte Dritte Weg. Im Unterschied zum Tarifvertragssystem in der Wirtschaft und im Öffentlichen Dienst (Zweiter Weg) werden Löhne und Gehälter bei den Kirchen in Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt. Sie sind mit Vertretern der Dienstnehmer- und der Dienstgeberseite (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) paritätisch besetzt. Streiks sind nach diesem Arbeitsrecht nicht erlaubt.

Ver.di wisse um die rechtlichen Grundlagen, betonte die Arbeitgeberseite der Caritas mit Blick auf den Ausstand an der Marienhausklinik. "Es ist daher verantwortungslos, wenn die Gewerkschaft Beschäftigte dazu aufruft, sich an einem Streik zu beteiligen und ihnen damit arbeitsrechtliche Risiken beschert." Die Einrichtungen könnten auf eine Arbeitsniederlegung wegen der rechtlichen Grundlagen gar nicht vorbereitet sein. "Den Dienstgebern vor Ort bleibt daher nichts anderes übrig, als ihre Mitarbeiter auf etwaige arbeitsrechtliche Konsequenzen hinzuweisen", erklärten die Arbeitgebervertreter der Arbeitsrechtlichen Kommission.

Caritas verweist oft hohe Tarifbindung

"Ver.di sollte nicht so tun, als wenn es außer Warnstreiks keine Möglichkeiten gibt, den Interessen der Beschäftigten Geltung zu verschaffen", sagte der Sprecher der Arbeitgeberseite, Norbert Altmann. Bei der Caritas liegt laut Arbeitgebern die Tarifbindung der Einrichtungen bei über 90 Prozent. Auch die Beteiligung der Gewerkschaften sei gewährleistet.

Die Gewerkschaft beruft sich dagegen auf das im Grundgesetz verankerte Streikrecht. Auch kirchliche Mitarbeiter müssten dieses Recht wahrnehmen dürfen, erklärte sie.

Am Sonntag hatten die streikbereiten Mitarbeiter der Marienhausklinik einen Brief veröffentlicht, in dem sie erklärten, ihnen sei die Entscheidung zum Streik als letztem Mittel nicht leichtgefallen. Sie hätten bereits vorher auf anderen Wegen versucht, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. "Wir haben demonstriert, wir haben eine aktive Mittagspause gemacht, wir haben Briefe an den Bischof geschickt und die Klinikleitung auf das Problem hingewiesen", heißt es in dem Schreiben. Es habe sich jedoch nichts verändert.

"Wir denken nicht, dass die Arbeitsbedingungen in kirchlichen Krankenhäusern besser oder schlechter sind als in kommunalen oder privaten Krankenhäusern", schreiben die Mitarbeiter weiter. Der Unterschied sei aber, dass in anderen Krankenhäusern mit den Gewerkschaften verhandelt werde.

Ver.di: Streik zeigt bereits Wirkung

Der Streik zeigt laut Bühler bereits Wirkung: So habe das Uniklinikum Gießen/Marburg die Aufnahme von Tarifverhandlungen angeboten. Zudem hätten auch einige Arbeitgeber, die im September bestreikt worden waren, inzwischen Gesprächsbereitschaft signalisiert und seien vom Streik ausgenommen worden.

Indes zeigten sich viele Kliniken uneinsichtig. "Immer häufiger verweisen Arbeitgeber auf anstehende politische Regelungen", berichtet Bühler. "Das ist ein durchschaubares Manöver, denn die Deutsche Krankenhausgesellschaft tut gerade alles, um eine wirksame politische Lösung zu verhindern." Es sei gut, dass die Kolleginnen und Kollegen Grenzen setzen, selbstbewusst für ihre Interessen eintreten und so ein klares Signal an Arbeitgeber und Politik senden: "So kann es nicht weitergehen", sagte Bühler.

Sell rügt kirchliches Arbeitsrecht

Der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell kritisierte das kirchliche Arbeitsrecht. Im Verkündigungsbereich könne er ein besonderes Arbeitsrecht akzeptieren, sagte er dem Saarländischen Rundfunk in Saarbrücken. Das gelte aber nicht für Kitas oder Krankenhäuser wie die bestreikte Klinik in Ottweiler.

Die Klinik werde «"m Prinzip zu 100 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert", sagte Sell dem SR. "Das unterscheidet sich nicht von einem kommunalen oder privat betriebenen Krankenhaus." Er könne nicht erkennen, mit welcher Begründung die weit über eine Million kirchlich Beschäftigten in Deutschland von elementaren Arbeitnehmerrechten abgeschnitten würden.

Marc Patzwald, Dirk Baas

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