Ausgabe 41/2017 - 13.10.2017
Berlin (epd). Die Bekämpfung der Kinderarmut und Sicherung des Existenzminimums sind im Regierungsprogramm der Union - anders als in den Programmen der FDP und der Grünen - kein eigenes Thema. Welche Rolle die Themen Armut und Kinderarmut bei den möglichen Koalitionsverhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen spielen werden, ist offen.
Klein ist das Problem nicht. Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren - und damit jede/r fünfte Minderjährige - leben in Haushalten, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Sie gelten damit im reichen Deutschland als relativ arm. Unzählige Studien belegen, dass sich die wirtschaftliche Lage im Elternhaus massiv auf die Chancen des Nachwuchses auswirkt - Kinder aus ärmeren Elternhäusern sind häufiger falsch ernährt, häufiger krank und häufiger schwächer in Schule, Beruf und Studium als andere.
Die Union hat zugesagt, im Falle einer Regierungsbildung das Kindergeld um 25 Euro im Monat zu erhöhen und den steuerlichen Kinderfreibetrag in zwei Schritten auf das Niveau für Erwachsene anzuheben. Von der Kindergelderhöhung und Steuerfreibeträgen würden allerdings die Kinder von Hartz-IV-Empfängern nicht profitieren. Den Kindern von Langzeitarbeitslosen verspricht die Union finanzielle Hilfen, um ihnen den Weg in Ausbildung und Arbeit zu ebnen, wie es in ihrem Regierungsprogramm heißt.
Die Grünen hatten die Bekämpfung der Kinderarmut zu einem ihrer Wahlkampfthemen gemacht. Sie wollen eine Kindergrundsicherung einführen, die für alle Kinder gleich hoch ist und das Kindergeld sowie die Kinderfreibeträge ersetzt. Das würde die heutige Besserstellung von Gutverdienern beenden. Deren Steuerfreibeträge für Kinder übersteigen das Kindergeld für Eltern mit weniger Einkommen.
Die grüne Kindergrundsicherung soll für Eltern mit geringem Einkommen durch einen Kindergeld-Bonus ergänzt werden. Außerdem sollen die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Erwachsene steigen. Insgesamt will die Partei zwölf Milliarden Euro zusätzlich in die finanzielle Entlastung von Familien stecken und benennt damit - im Unterschied zur FDP - auch die Ausgaben.
Die Liberalen wollen Kinder ebenfalls unabhängig vom Einkommen der Eltern mit einem "Kindergeld 2.0" absichern. Es soll sich zusammensetzen aus einem einheitlichen Grundbetrag für alle und für Geringverdiener aus einem zusätzlichen Kinder-Bürgergeld sowie Gutscheinen für Bildung und Teilhabe. Das würde die heutigen Hartz-IV-Leistungen ersetzen.
FDP und Grüne eint, dass sie beim Existenzminimum für Kinder strukturelle Änderungen anstreben. Beide Parteien wollen nicht, dass das Kindergeld länger auf Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe angerechnet wird. Was aber finanziell für die bedürftigen Kinder und Eltern herauskommt, dürfte sich unterscheiden. Nur die Grünen nennen eine Summe: Sie wollen eine Grundsicherung von 300 Euro im Monat je Kind.
Die Leistungen für Kinder müssen aus Sicht der FDP zum Bürgergeld passen, das die Partei vor mehr als zehn Jahren als Alternative zum rot-grünen Hartz-IV-System beschlossen hat. Das FDP-Bürgergeld würde alle Sozialleistungen ersetzen und mit dem Steuersystem verzahnt werden. Aussicht auf Umsetzung hat das Modell nicht.
Die Grünen setzen bei der Sozialhilfe nicht auf einen Systemwechsel, sondern auf Reformen im Hartz-IV-System. Sie wollen neben der Kindergrundsicherung eine individuelle Unterstützung für Erwachsene, also keine Bedarfsgemeinschaften mehr, die Abschaffung der Sanktionen, insbesondere für Jugendliche und höhere Leistungen für Wohnen, Strom und Anschaffungen.