Ausgabe 37/2017 - 15.09.2017
Mainz (epd). Leistet eine Pflegehelferin über viele Jahre regelmäßig Bereitschaftsdienste, darf der Arbeitgeber diese Dienste und damit die gezahlten Zulagen nicht grundlos streichen. Das gilt zumindest dann, wenn die Zulagen fast 19 Prozent des Einkommens ausgemacht haben, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem am 8. September 2017 veröffentlichten Urteil. Der Arbeitgeber sei in solch einem Fall verpflichtet, seine Interessen mit denen der Beschäftigten abzuwägen, befanden die Mainzer Richter.
Damit bekam im Wesentlichen die klagende Pflegehelferin recht. Die aus Kasachstan stammende Frau hatte dort eine Ausbildung als Hebamme absolviert und wurde seit über 20 Jahren bei ihrem Klinik-Arbeitgeber im OP-Bereich eingesetzt. Die ganze Zeit war sie regelmäßig für Bereitschaftsdienste eingeteilt. Diese machten fast 19 Prozent ihres Verdienstes aus, monatlich fast 700 Euro.
Als die Klinik ohne Grund die Frau nicht mehr für Bereitschaftsdienste einsetzte, wollte die Pflegekraft das nicht hinnehmen. Die Klinik müsse ihr die entgangenen Zulagen erstatten zahlen. Es sei eine "betriebliche Übung" für den Einsatz als Bereitschaftskraft entstanden.
Das LAG urteilte, dass die Klägerin zwar laut ihrem Arbeitsvertrag keinen Anspruch darauf habe, im Bereitschaftsdienst eingesetzt zu werden. Der Arbeitgeber dürfe aber auch nicht ohne weiteres die Dienste mit dem damit verbundenen spürbaren Einkommensverlust wieder streichen. Er sei in solch einem Fall verpflichtet, "nach billigem Ermessen" zu entscheiden.
Der Arbeitgeber müsse seine und die Interessen der Klägerin abwägen. Hier habe die Pflegehelferin ihre Lebensplanung auf das Einkommen durch die Bereitschaftsdienste ausgerichtet. Sie machten einen großen Teil ihres Gesamtverdienstes aus. Dass dem Einsatz der Klägerin organisatorische oder personelle Maßnahmen entgegenstehen, habe die Klinik nicht vorgebracht. Das Ermessen sei falsch ausgeübt worden, so dass der Klägerin für ein Jahr nicht gewährte Zulagen von insgesamt rund 8.300 Euro zustehen.
Az.: 4 Sa 399/16