sozial-Politik

Jugendämter

Mehr Kinder und Jugendliche in Obhut genommen




Junge Flüchtlinge aus Afghanistan in einer Unterkunft in Braunschweig.
epd-bild/Peter Sierigk
Die Jugendämter in Deutschland haben 2016 deutlich mehr Kinder und Jugendliche zeitweilig aus ihren Familien genommen oder in fremden Familien untergebracht als im Jahr davor.

84.200 Mädchen und Jungen wurden zu ihrem Schutz in Obhut genommen, wie das Statistische Bundesamt am 23. August in Wiesbaden mitteilte. Das entspricht einem Zuwachs von 8,5 Prozent. Die Gesamtzahl der Fürsorgemaßnahmen hat sich damit seit dem Jahr 2013 fast verdoppelt. Die Arbeiterwohlfahrt rief dazu auf, den Kinderschutz ernster zu nehmen. Viele Familien seien überlastet und allein nicht in der Lage, zum Wohle ihrer Kinder beizutragen.

Hauptgrund für das weiter hohe Niveau der Inobhutnahmen ist die Einreise von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. 2016 wurden 44.900 junge Flüchtlinge in Obhut genommen, 2.600 mehr als im Jahr 2015 (plus 6,2 Prozent).

Ämter müssen von Gesetzes wegen handeln

Die deutschen Jugendämter sind verpflichtet, die Minderjährigen bei drohenden Gefahren, Gewalt oder Vernachlässigung aus ihren Familien zu nehmen. Bis eine Lösung für die Problemsituation gefunden ist, werden sie in Obhut genommen und gegebenenfalls in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie untergebracht.

21.700 Kinder, die im Vorjahr in Obhut genommen wurden, waren jünger als 14 Jahre alt. In dieser Altersgruppe wurden die Kinder am häufigsten wegen Überforderung der Eltern beziehungsweise eines Elternteils (45 Prozent) und zum Schutz vor Vernachlässigung (19 Prozent) in Obhut genommen.

Bei den 62.500 Jugendlichen von 14 bis 17 Jahren war die unbegleitete Einreise aus dem Ausland häufigster Grund für das Handeln der Jugendämter. Auch bei der Dauer des vorläufigen Schutzes gab es altersspezifische Unterschiede: Während bei den unter 14-Jährigen 46 Prozent der Inobhutnahmen nach spätestens zwei Wochen beendet werden konnten, traf dies nur auf 34 Prozent der 14‑ bis 17-Jährigen zu.

Oft auch Rückkehr in die Familie

Die meisten Inobhutnahmen endeten bei den Kindern unter 14 Jahren mit der Rückkehr zu den Sorgeberechtigten (41 Prozent) oder der Einleitung einer erzieherischen Hilfe außerhalb des Elternhauses, also in einer Pflegefamilie oder einem Heim (28 Prozent).

Der Vorsitzender der AWO, Wolfgang Stadler, erklärte: "Die Unterstützungsstrukturen müssen ausgebaut werden, wo Familien diese benötigen." Ziel müsse es sein, "die Belastung von Müttern, Vätern und deren Kindern zu verringern". Hier könnten frühzeitige Beratungsangebote beispielsweise bei Fragen der Erziehung und des Aufwachsens helfen.

Zugleich müssen laut Stadler alle Angebote von der Kindertagesbetreuung über die Jugendarbeit bis zur Sozialarbeit an Schulen insgesamt stärker ausgebaut und besser miteinander vernetzt werden. Zur Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sagte der AWO-Chef, auf diesem Feld werde "sowohl mehr, als auch entsprechend qualifiziertes Personal in den Jugendämtern und Einrichtungen gebraucht".

Der Bundesfachverband Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erklärte, die hohen Zahlen der Inobhutnahmen seien keine Überraschung, weil es jüngst weiterhin viele Einreisen junger Flüchtlinge gegeben habe. Sprecher Tobias Klaus forderte, die nach der ersten großen Einreisewelle 2015 von den Kommunen aufgebauten Notfallstrukturen der Betreuung von Minderjährigen müssten jetzt weichen. Angesichts einer Gesamtschutzquote der Jugendlichen in den Asylverfahren von rund 90 Prozent sei klar, "dass die Betroffenen hier sind und meist auch bleiben". Darauf müsse die Jugendhilfe richtig reagieren.

Den Jugendlichen müsse der Weg in die Ausbildung geebnet werden. "Sie brauchen viel Unterstützung, um rasch auf eigenen Füßen stehen zu können." Da bleibe noch viel zu tun, betonte Klaus.


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