sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

WhatsApp-Anzüglichkeiten rechtfertigen Erzieher-Kündigung




Schon der Anschein sexueller Anzüglichkeit ist verboten: Besondere Zurückhaltung müssen Erzieher und Lehrer beim Sport üben.
epd-bild/Bertold Fernkorn
Sexuell anzügliche WhatsApp-Nachrichten, die ein Heimerzieher an eine Schülerin sendet, begründen grundsätzlich eine fristlose Kündigung. Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschieden. Der Mann ist seinen Job zu Recht los, befanden die Richter.

Lehrkräfte müssten jeglichen Anschein „sexuell motivierten Verhaltens“ gegenüber anvertrauten Kindern vermeiden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am 7. August veröffentlichten Urteil. Damit ist ein als Heimerzieher und Erziehertrainer angestellter Mann nach fast 27-jähriger Beschäftigung an einem Gymnasium seine Stelle los.

Die Einrichtung gilt nach eigenen Angaben als "Eliteschule des Sports" und verfügt auch über ein Internat. Der Erzieher war unter anderem für den Tennis-Unterricht verantwortlich.

Anzügliche Kontakte per Handy

Mit einer von ihm betreuten 16-jährigen Schülerin tauschte er in seiner Freizeit über ein halbes Jahr lang per WhatsApp Nachrichten und auch Fotos aus. Dabei war mehrfach die knappe Bekleidung der Schülerin Thema. So schrieb er: „Lederoutfit? In Profil? Chic, Steht Dir bestimmt, Denkbar? Mit was drunter? Unsicher oder sauer? Schon mal so was gehabt? String Strapse Strümpfe ... Ok, ausprobieren?“

Zusätzlich übermittelte der Erzieher Fotos, die überwiegend Models in äußerst knappen, aufreizenden Lederkleidern zeigen. Mehrfach forderte er die 16-Jährige auf, die WhatsApp-Nachrichten zu löschen und Stillschweigen über den Chat zu bewahren. Doch die Mutter des Mädchens kam dahinter und informierte die Schulleitung.

Land: "Pflichtwidriges Verhalten"

Das Land kündigte dem Erzieher schließlich fristlos. Er habe "durch sein ausweislich des Chat-Verlaufs aufdringliches, offensichtlich sexuell motiviertes Verhalten in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten als Erzieher und Trainer verstoßen".

Der Erzieher hielt die fristlose Kündigung für unverhältnismäßig und verwies auf sein bislang tadelloses, fast 27-jähriges Beschäftigungsverhältnis. Ein wegen des Chats veranlasstes Strafverfahren sei eingestellt worden. Außerdem sei die Schülerin sowieso sehr offenherzig gewesen und habe selbst von sich Unterwäschebilder im Internet veröffentlicht. Schließlich sei das Verhältnis eines Trainers zu einem Sportler ohnehin "erheblich enger" als jenes einer Lehrer-Schüler-Situation. Von einer Distanzlosigkeit könne daher keine Rede sein, lautete seine Argumentation.

Gericht bestätigt fristlose Kündigung

Das sah das LAG jedoch anders. Die fristlose Kündigung sei wirksam. Nicht nur Lehrer, sondern auch Heimerzieher und Erziehertrainer müssten in ihrer Freizeit zu ihren Schülern ein angemessenes Verhältnis von Nähe und Distanz wahren. Die Intimsphäre der Kinder müsse uneingeschränkt gewahrt werden.

Hier habe der Erzieher das Obhuts- und Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Schülerin ausgenutzt. Dem Kläger sei das auch bewusst gewesen, da er die Schülerin aufforderte, den Chat-Inhalt zu löschen und Stillschweigen darüber zu wahren. Der Pflichtverstoß des Erziehers wiege hier so schwer, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen.

Az.: 1 Sa 521/16

Frank Leth

« Zurück zur vorherigen Seite

Weitere Themen

Altersklausel in Geschäftsführer-Vertrag zulässig

Der Arbeitsvertrag für einen angestellten Geschäftsführer einer GmbH kann nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm mit einer Altersklausel befristet werden. Eine solche Regelung unterhalb des gesetzlichen Renteneintrittsalters verstoße nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wenn in der vertraglichen Vereinbarung eine sofortige betriebliche Altersversorgung nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Unternehmen gewährleistet ist, heißt es in dem am 2. August veröffentlichten Urteil. Das Oberlandesgericht bestätigte damit eine vorangegangene Entscheidung des Landgerichts Hagen.

» Hier weiterlesen

Ambulante Chemotherapie hat Vorrang vor stationärer

Krebspatienten müssen sich nach Möglichkeit einer ambulanten Chemotherapie unterziehen. Nur wenn eine stationäre Chemotherapie medizinisch notwendig ist, müssen die Krankenkassen für einen Klinikaufenthalt aufkommen, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz in mehreren am 1. August bekanntgegebenen Urteilen. Selbst wenn die stationäre Behandlung günstiger sei, habe die ambulante Therapie stets Vorrang, hieß es.

» Hier weiterlesen

Scheindarlehen gilt bei Hartz IV als Einkommen

Erhalten Hartz-IV-Aufstocker von einem Angehörigen ein privates "Nothilfe-Darlehen" ohne konkrete Rückzahlungspflicht, muss von einem Scheindarlehen ausgegangen werden. Erhaltene Zahlungen seien dann vom Jobcenter als Hartz-IV minderndes Einkommen zu werten, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am 7. August veröffentlichten Beschluss.

» Hier weiterlesen