Ausgabe 32/2017 - 11.08.2017
Mainz (epd). Lehrkräfte müssten jeglichen Anschein „sexuell motivierten Verhaltens“ gegenüber anvertrauten Kindern vermeiden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am 7. August veröffentlichten Urteil. Damit ist ein als Heimerzieher und Erziehertrainer angestellter Mann nach fast 27-jähriger Beschäftigung an einem Gymnasium seine Stelle los.
Die Einrichtung gilt nach eigenen Angaben als "Eliteschule des Sports" und verfügt auch über ein Internat. Der Erzieher war unter anderem für den Tennis-Unterricht verantwortlich.
Mit einer von ihm betreuten 16-jährigen Schülerin tauschte er in seiner Freizeit über ein halbes Jahr lang per WhatsApp Nachrichten und auch Fotos aus. Dabei war mehrfach die knappe Bekleidung der Schülerin Thema. So schrieb er: „Lederoutfit? In Profil? Chic, Steht Dir bestimmt, Denkbar? Mit was drunter? Unsicher oder sauer? Schon mal so was gehabt? String Strapse Strümpfe ... Ok, ausprobieren?“
Zusätzlich übermittelte der Erzieher Fotos, die überwiegend Models in äußerst knappen, aufreizenden Lederkleidern zeigen. Mehrfach forderte er die 16-Jährige auf, die WhatsApp-Nachrichten zu löschen und Stillschweigen über den Chat zu bewahren. Doch die Mutter des Mädchens kam dahinter und informierte die Schulleitung.
Das Land kündigte dem Erzieher schließlich fristlos. Er habe "durch sein ausweislich des Chat-Verlaufs aufdringliches, offensichtlich sexuell motiviertes Verhalten in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten als Erzieher und Trainer verstoßen".
Der Erzieher hielt die fristlose Kündigung für unverhältnismäßig und verwies auf sein bislang tadelloses, fast 27-jähriges Beschäftigungsverhältnis. Ein wegen des Chats veranlasstes Strafverfahren sei eingestellt worden. Außerdem sei die Schülerin sowieso sehr offenherzig gewesen und habe selbst von sich Unterwäschebilder im Internet veröffentlicht. Schließlich sei das Verhältnis eines Trainers zu einem Sportler ohnehin "erheblich enger" als jenes einer Lehrer-Schüler-Situation. Von einer Distanzlosigkeit könne daher keine Rede sein, lautete seine Argumentation.
Das sah das LAG jedoch anders. Die fristlose Kündigung sei wirksam. Nicht nur Lehrer, sondern auch Heimerzieher und Erziehertrainer müssten in ihrer Freizeit zu ihren Schülern ein angemessenes Verhältnis von Nähe und Distanz wahren. Die Intimsphäre der Kinder müsse uneingeschränkt gewahrt werden.
Hier habe der Erzieher das Obhuts- und Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Schülerin ausgenutzt. Dem Kläger sei das auch bewusst gewesen, da er die Schülerin aufforderte, den Chat-Inhalt zu löschen und Stillschweigen darüber zu wahren. Der Pflichtverstoß des Erziehers wiege hier so schwer, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen.
Az.: 1 Sa 521/16