Ausgabe 25/2017 - 23.06.2017
Berlin (epd). Sozialarbeiter warnen angesichts gestiegener Temperaturen vor zunehmenden Problemen Obdachloser in Berlin. Betroffene hätten auch in den Sommermonaten gravierende Schwierigkeiten, sagte der Leiter der Notübernachtungsstelle der Berliner Stadtmission in der Franklinstraße, Jürgen Mark, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Obdachlosigkeit werde in der warmen Jahreszeit zu wenig wahrgenommen.
"Die obdachlosen Kältetoten werden gezählt, aber die Hitzetoten nicht", bemängelte Mark. Wer total betrunken in der prallen Sonne sitze und kollabiere, gehe lediglich als toter Alkoholiker in die Statistik ein. "Der Tod wird nicht in den Kontext der Obdachlosigkeit gestellt", kritisierte Mark.
Als konkrete Probleme für Obdachlose im Sommer benannte der Leiter der Notübernachtungsstelle, dass etwa Wunden nicht trocknen und sich deren Zustand verschlechtere. Auch die Hygiene sei ein Problem, alter Schweiß fange irgendwann an zu müffeln. "Da ist plötzlich ein ganzer S-Bahn-Waggon leer, weil ein stinkender Obdachloser einsteigt", sagte Mark. Wenn es lange heiß ist, sei auch die Notübernachtungsstelle gut besucht: "Dann brauchen die Obdachlosen ein kühles Plätzchen, um sich auszuruhen, wie jeder andere Mensch auch."
Mehr als die derzeit 136 Notübernachtungsplätze im Sommer braucht es nach Marks Meinung nach aber nicht. Viele der geschätzt 5.000 bis 10.000 Obdachlosen in Berlin würden den Sommer im Süden Europas verbringen und erst im Winter wieder nach Berlin zurückreisen. Das generelle Problem der Obdachlosigkeit könne auch durch weitere Notübernachtungsplätze nicht gelöst werden, ist Mark überzeugt: "Was wir brauchen, ist dauerhafter, bezahlbarer Wohnraum." Nur so könnten die Obdachlosen wieder in ein geregeltes Leben zurückfinden. Für einige seiner Klienten konnte Mark schon günstige Wohnungen in kleineren Städten in Ostdeutschland finden. Aber das wolle nicht jeder.
Außerdem plädiert Mark dafür, dass in den Notübernachtungsstellen ausschließlich ausgebildete Fachkräfte arbeiten, keine ehrenamtlichen Helfer ohne sozialarbeiterischen Hintergrund. Dafür müsse es auch mehr Gelder vom Staat geben. Dann könne den Klienten der Einrichtungsstellen spezifisch beraten und Lösungen für die Probleme gefunden werden.