Ausgabe 25/2017 - 23.06.2017
Berlin (epd). Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will verstärkt gegen das starke Lohngefälle in Deutschland vorgehen. Es gebe eine Rekordbeschäftigung in Deutschland und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten habe einen Höchststand erreicht, sagte Nahles am 19. Juni in Berlin. Gleichzeitig seien die Lohnunterschiede extrem und nicht gerecht.
Nahles äußerte sich nach einem Treffen mit den Sozialpartnern, mit Wohlfahrtsverbänden und Wissenschaftlern. Gerade Dienstleistungsberufe seien oft nicht in der Lage, entsprechende Lohnabschlüsse zu erzielen, sagte die Ministerin. Die Lohnspreizung sei ein gesamtgesellschaftliches Thema.
Nahles bezog sich dabei auch auf Ergebnisse des aktuellen Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Demnach kommt der wirtschaftliche Aufschwung nicht bei allen an. Laut Bericht haben die unteren 40 Prozent der Beschäftigten real weniger verdient als Mitte der 90er Jahre. Besonderes Augenmerk will Nahles auf den Pflegebereich legen. Sie wirbt für einen Branchendialog, um die Löhne in diesen Berufen zu verbessern.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, begrüßte die Initiative der Ministerin und forderte höhere Löhne vor allem in der Pflege, für Gesundheitsberufe oder Erzieher und Sozialarbeiter. Wenn sich hier etwas ändern solle, müsse auch der Staat in die Pflicht genommen werden, sagte Schneider. Zum Beispiel müsse den Kommunen mehr Geld zur Verfügung gestellt werden, um etwa Erzieher zu bezahlen.
Im Kampf gegen Altersarmut plädiert der Sozialverband VdK für eine neue Arbeitsmarktpolitik. "Einkommensarmut ist die wesentliche Ursache für Altersarmut", erklärte der Vizepräsident des Verbands, Roland Sing, anlässlich des Treffens mit der Bundesarbeitsministerin. "Gute Arbeit und faire Löhne sorgen dafür, Armut im Alter zu vermeiden."
Viele Arbeitnehmer profitierten nicht vom wirtschaftlichen Aufschwung, sagte Sing. Jeder fünfte Beschäftigte arbeite derzeit für einen Stundenlohn von unter zehn Euro. Es sei sozial ungerecht, wenn nur die oberen Einkommensgruppen Einkommenszuwächse verzeichnen könnten. Konkret fordert der Sozialverband VdK eine Erhöhung des Mindestlohns und eine Verringerung von Minijobs sowie von Zeit- und Leiharbeit.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach wies besonders auf prekäre Arbeitsverhältnisse hin. Mehr als fünf Prozent der regulär Beschäftigten sind arm oder armutsgefährdet, unter den prekär Beschäftigten sind es 19,2 Prozent. Leiharbeiter, geringfügig Beschäftigte und Teilzeitbeschäftigte hätten ein fast viermal so hohes Armutsrisiko wie regulär Beschäftigte, sagte Buntenbach. Sie forderte gesetzliche Vorgaben, um aus einem prekären Job in eine gut bezahlte und abgesicherte Arbeit wechseln zu können.