Ausgabe 25/2017 - 23.06.2017
Würzburg (epd). Heute Abend treten Chima Ede und Ahzumjot auf. Auch Eva Uckermann, Lukas Harjung, Ricarda Gräf und Gabriel Krapf lassen sich das HipHop-Konzert im Würzburger Jugendzentrum Bechtolsheimer Hof nicht entgehen. Doch sie sind nicht nur gekommen, um abzuhotten. Sie helfen mit. Vor und hinter der Bühne, an der Kasse, an der Theke. Freiwillig. Einfach, weil es sich um "ihr" Jugendzentrum handelt. Und weil es "echt cool" ist mitzumachen.
Im Bechtolsheimer Hof bringen sich viele Jugendliche aktiv ein. "Wir haben immer um die 40 Ehrenamtliche", sagt Einrichtungsleiterin Linda Grauschopf. Das, ergänzt ihr Kollege Kilian Schick, ist ungewöhnlich. In vielen Einrichtungen für Jugendliche liegt die Beteiligung deutlich niedriger.
Lukas Harjung vom Jugendzentrumsrat sagt, dass sich die meisten seiner Altersgenossen kaum irgendwo engagieren: "Immer weniger interessiert das." Damit bestätigt der 23-Jährige eine Beobachtung, die große Organisationen wie der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge umtreibt. Nicht nur Jugendliche ziehen sich zurück, auch viele Erwachsene nehmen wenig am sozialen oder politischen Leben teil. Die Haltung: "Da kann man eh nichts machen!" greife um sich. Das führt nach Auffassung des Deutschen Vereins dazu, dass sich gesellschaftliche Konflikte verhärten und der gesellschaftliche Zusammenhalt bedrohlich schwindet.
Auch Ricarda Gräf vom Jugendzentrumsrat des Bechtolsheimer Hofs kennt kaum Gleichaltrige, die sich irgendwo einbringen. "Das liegt aber auch daran, dass so wenig Zeit ist", meint die 20-Jährige, die gerade eine Lehre zur Bestattungsfachkraft durchläuft. "Rici", wie Ricarda genannt wird, ist es wichtig, sich zu engagieren. Das war vor wenigen Jahre allerdings auch noch anders: "Da habe ich hier nur herumgesessen und den anderen zugehört." Irgendwann ließ sie sich anstecken. Sie wollte im JUZ nicht mehr nur abhängen. Seit zwei Jahren engagiert sie sich im Jugendzentrumsrat.
Während sich Rici ein sozial passives Leben nicht mehr vorstellen könnte, sind ihr die Türen zum politischen Engagement noch verschlossen. Sie findet Politik "völlig unverständlich". "Mich interessiert eine Schlagzeile, da beginne ich zu lesen, steige aber nach wenigen Sätzen wieder aus, weil ich so viele Begriffe nicht kapiere", sagt die junge Frau.
Eva Uckermann vom Jugendzentrumsrat weiß genau, was Rici meint: Auch sie habe lange in der Schule nichts davon gehört, wie Politik funktioniert. Jetzt ist die 20-Jährige auf der Fachoberschule: "Zum ersten Mal lerne ich was Nützliches, nämlich unser politisches System kennen." Eva hat nun fest vor, im September zur Bundestagswahl zu gehen: "Denn ich glaube, dass auch meine Stimme zählt." Dass man etwas bewegen kann, wenn man sich engagiert, hat die junge Frau durch ihre JUZ-Arbeit erfahren. So sei die "Integrative Refugees Welcome Disco" für junge Flüchtlinge, die sie im vergangenen Jahr mitorganisiert hatte, ein toller Erfolg gewesen.
Gabriel Krapf engagiert sich ebenfalls intensiv. Der 21-Jährige ist auch politisch interessiert, stellt aber ernüchtert fest: "Ich finde, Politiker kommen nicht überzeugend rüber." Dass sich immer mehr Menschen politisch und gesellschaftlich verabschieden, kann der Jugendliche jedoch nicht nur aus diesem Grund nachvollziehen. "Woher soll man denn Zeit haben, sich zu informieren und zu engagieren, wenn man Leiharbeitsjobs hat und sich die ganze Zeit damit herumschlagen muss, wie man die Familie ernährt", meint er.
Damit sprich Gabriel Krapf etwas Wahres aus, wie Dieter Kaufmann vom Diakonischen Werk Württemberg bestätigt. Vor allem arme Menschen neigen nach der Beobachtung des Vorstandsvorsitzenden der Diakonie dazu, sich zurückzuziehen. Engagement scheitere in diesem Fall allerdings nicht allein an mangelndem Geld: "Sondern auch daran, dass sich viele dieser Menschen ihrer Lebenslage schämen."
Gleichzeitig glauben sie nicht mehr, dass politisches Engagement etwas bringt, zeigt die Studie "Demokratie ohne Langzeitarbeitslose" der Universität St. Gallen. Langzeitarbeitslose sind demnach so sehr von der Politik enttäuscht, dass die Idee, wählen zu gehen, für viele völlig abwegig ist.
Auf diese Haltung ist auch der Politikwissenschaftler Armin Schäfer von der Uni Osnabrück gestoßen. Er hat für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Folgendes festgehalten: "Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert." Aus der im April veröffentlichten Endfassung des Armutsberichts wurde der Satz allerdings entfernt.