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Familie

Trauer nach dem Auszug der Kinder




Eine Mutter im Zimmer des ausgezogenen Sohnes
epd-bild / Stefan Arend
Eltern wollen in der Regel, dass ihre Kinder selbstständige und verantwortungsbewusste Menschen werden. Doch wenn das Erziehungsziel erreicht ist und der Nachwuchs auszieht, breitet sich bei vielen Trauer aus.

Eigentlich hatte Sabrina geplant, nach dem Abitur zunächst bei ihren Eltern wohnen zu bleiben. Doch dann zog ihr Freund zum Studium in eine andere Stadt und Sabrina mit ihm. Vor allem für ihre Mutter war das ein Schock. "Ich war einfach noch nicht darauf gefasst", sagt Petra S.. Dabei gönnt sie ihrer Tochter die Freiheit. "Ich wollte mein Kind auf keinen Fall einschränken. Aber als sie weg war, wurde ich richtig depressiv."

Das Empty-Nest-Syndrom

Vor allem Mütter litten, wenn Kinder das Haus verließen, beobachtet der Kölner Psychotherapeut Peter Groß. "Der Auszug der Kinder ist eine Schwellensituation." Für die Trauer, die viele in dieser Situation erleben, fanden US-Soziologen bereits in den 60er Jahren einen Namen: das Empty-Nest-Syndrom. Mütter, die davon betroffen sind, hätten etwa eineinhalb bis zwei Jahre damit zu kämpfen, beobachtete die US-Psychologin Elizabeth Bates Harkins. Sie erforschte das Empty-Nest-Syndrom bereits Anfang der 70er Jahre.

Dennoch sei die Trauer über den Auszug der Kinder bis heute ein tabuisiertes Thema, sagt Bettina Teubert. Die Berliner Heilpraktikerin und Familientherapeutin leitet seit Jahren Selbsthilfegruppen zu dem Thema und stellte fest: "Die meisten Frauen bekennen sich nicht gerne dazu, darunter zu leiden, dass ihre Kinder aus dem Haus sind." Allerdings ändere sich das langsam, beobachtet Silke Burmester. Sie ist Autorin eines Buches über den "Mutterblues", in dem sie ihre eigenen Erfahrungen verarbeitet hat.

Wie viele Frauen fragte Burmester sich, warum sie der Auszug ihres Sohnes so hart traf. Schließlich ist die Autorin und Kolumnistin eine berufstätige Frau mit vielen Interessen. Ihre Erklärung dafür, warum heutige Frauen unter dem Erwachsenwerden ihrer Kinder leiden, obwohl sie meist gar nicht mehr so auf die Mutterrolle fixiert sind wie noch die Generation vor ihnen: "Es handelt sich um die erste Mütter-Generation, die kollektiv die Kinder erst sehr spät bekommen hat." Und deshalb erwische der Auszug der Kinder sie oft zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt.

"Die Trauer ist berechtigt"

"Der Körper altert, die Wechseljahre haben eingesetzt und auch aus der Partnerschaft ist oft die Luft raus", beschreibt Burmester die Situation vieler Mütter um die 50. Häufig falle auch noch der Abschied von den eigenen Eltern, die pflegebedürftig werden oder sterben, in diese Phase. Und wenn dann obendrein noch das Kind seinen eigenen Weg gehe, stürze das viele Frauen in eine tiefe Krise. "Wichtig ist es dann zunächst einmal, sich die eigenen Gefühle einzugestehen und zu sehen, dass die Trauer berechtigt ist."

"Gebt euch auch mal Zeit zu trauern", rät auch Familientherapeutin Teubert betroffenen Frauen. Schließlich handele es sich um einen Umbruch im Leben, auf den man sich erst einmal einstellen müsse. "Das ist ein ganz normaler Prozess. Das geht vorüber. Es ist wie ein Trauerjahr." Frauen, die sehr stark litten, könnten in dieser Zeit Hilfe bei einer Selbsthilfegruppe oder aber auch durch eine Psychotherapie finden. Wahrscheinlich werde man Frauen finden, denen es ähnlich gehe, sagt Burmester: "Mir persönlich hat es gutgetan, auch einmal über die Situation lachen zu können."

Zum Lachen ist Petra S. ein halbes Jahr nach dem Umzug ihrer Tochter noch nicht zumute. "Mir kommen oft immer noch die Tränen, wenn ich in das leere Kinderzimmer schaue." Psychotherapeut Groß empfiehlt Frauen in so einer Lage, sich klar zu machen: "Nicht die Situation macht mich depressiv, sondern die Gedanken, die ich mir mache."

Von der aktiven zur passiven Mutter

Es könne helfen, seine Gedanken bewusst auf die Vorteile der Situation zu lenken statt auf Nachteile. Etwa darauf, dass weniger Dreck und Unordnung im Haus sei. "Dann kann ich zum Beispiel überlegen: Was kann ich jetzt wieder tun, was vorher lange Jahre nicht möglich war?" Vielen Frauen helfe es auch, eine neue sinnstiftende Betätigung zu finden, zum Beispiel ehrenamtlich tätig zu werden.

Diesen Weg hat auch Petra S. eingeschlagen. Aus der ersten Depression half es ihr, dass sie ihre Stelle als Lehrerin rasch auf Vollzeit aufstocken konnte. Außerdem besann sie sich auf lange vernachlässigte Interessen und begann wieder, Klavierstunden zu nehmen. Keine Lösung sei es hingegen, an den Kindern zu klammern, warnt Groß.

"Mütter müssen lernen, von der aktiven zur passiven Mutter zu werden", formuliert es Teubert. Wenn Mütter sich weiterhin ständig in das Leben der Kinder einmischten, etwa mit ihnen an die Uni gingen, schade das dem Verhältnis auf Dauer. Das sei auch gar nicht nötig. "Wenn die Beziehung zum Kind gut war, bleibt man trotzdem im Leben der Kinder und hat weiterhin Kontakt", weiß Teubert aus eigener Erfahrung.

Claudia Rometsch

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