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Ethikerin: Jungfernhäutchen-OP nicht unmoralisch



Nach Ansicht der Göttinger Medizinethikerin Claudia Wiesemann sollten Ärzte Frauen helfen, die aus kulturellen Gründen Jungfräulichkeit vortäuschen wollen. "Jungfernhäutchen zu diesem Zweck operativ wiederherzustellen, ist nicht unmoralisch", sagt die Professorin, die auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sprächen mehr Gründe dafür, Betroffenen zu helfen, als dagegen.

Die Expertin verwies darauf, dass die akuten Folgen einer "Entehrung" für die jungen Frauen gravierend seien: So könnten sie aus der Familie verstoßen werden, den Partner verlieren oder als Hure verschrien werden. "Das nennt man nicht umsonst den sozialen Tod, es ist ein fundamentaler Einschnitt."

Natürlich stützten Ärzte auf diese Weise ein System, "das auch ich für moralisch falsch halte", sagte die Ärztin und Ethikerin. "Es ist natürlich unterdrückend, dass diese Frauen ihre Sexualität nicht ausprobieren dürfen, dass sie kontrolliert und sanktioniert werden."

Es sei aber die erste Aufgabe von Ärzten, Patienten in ihrer individuellen Notlage zu helfen. "Das steht über einem allgemeinen moralischen Auftrag." Diesen könnten sie zudem auch erfüllen, in dem sie öffentlich machen, dass sie Anfragen zur Wiederherstellung des Jungfernhäutchens bekommen.

Das Vortäuschen der Jungfräulichkeit durch medizinische Operationen könne durchaus subversiv das System Ehre beschädigen: "Die Möglichkeit der Fälschung verschafft Frauen Freiräume und nimmt Männern die Sicherheit, die Kontrolle über die Sexualität der Frauen zu haben."

Auch kommerzielle Angebote zur Wiederherstellung des Jungfernhäutchens findet Wiesemann "im Prinzip legitim": Es gebe in einem Einwanderungsland wie Deutschland offenbar eine Nachfrage, mit der aber viel offener umgegangen werden solle. "Heimlichkeit ist in der Medizin immer schädlich: Patienten sind schlecht informiert, das führt leicht zu niedrigen Qualitätsstandards und überhöhten Preisen", sagte Wiesemann.


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