Ausgabe 15/2017 - 13.04.2017
Frankfurt a.M., Gütersloh (epd). Das Engagement für Flüchtlinge vor Ort ist nach Einschätzung von Pro Asyl nach wie vor groß. "Ich bin positiv überrascht, dass viele Menschen, die bis 2015 nichts mit Flüchtlingen zu tun hatten, jetzt immer noch aktiv dabei sind", sagte Pro Asyl-Sprecher Bernd Mesovic am 7. April in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd). Allerdings wachse auch bei ihnen die Enttäuschung. Das liege überwiegend an dem härteren Kurs der Bundesregierung gegenüber Asylsuchenden, sagte der Experte. Die Fragen stellte Holger Spierig.
Dass laut einer aktuellen Studie der Gütersloher Bertelsmann Stiftung die Willkommenskultur in der Gesellschaft zurückgeht, sieht Mesovic nicht als Widerspruch: "Man muss davon ausgehen, dass der Großteil der Befragten zu keinem Zeitpunkt in der Hilfe für Flüchtlinge aktiv war." Die Studie zeige offenbar ein allgemeines Stimmungsbild, das sich jedoch nicht auf den Kreis der praktisch Engagierten beziehe.
Viele ehrenamtlich Engagierte erlebten aber zunehmend auch Enttäuschung und Überforderung, erklärte Mesovic. Ursachen dafür seien politische Entscheidungen aus jüngster Zeit, wie etwa die Abschiebungen nach Afghanistan. "Viele Helfer haben den Eindruck, sie kämpfen gegen Windmühlen, weil sich der Wind in Richtung einer 'Abschiebekultur' gedreht hat." Auch bemängelten viele Ehrenamtliche, dass sie zunehmend als eine Art "Hilfssozialarbeiter" an die Kandare der Politik genommen werden sollten. "Der Staat sollte nicht versuchen, diese Willkommenskultur, dieses Engagement zu gängeln", warnte Mesovic.
Zur Stärkung der Willkommenskultur mahnt Pro Asyl mehr Entlastung sowie Förderung der ehrenamtlichen Helfer an. "Nötig ist gar nicht mal allein mehr Geld, sondern Strukturen zu stärken, die das Engagement koordinieren und entlasten", unterstrich Mesovic.
Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt die Willkommenskultur in Deutschland mittlerweile Risse. Demnach ist zwar eine Mehrheit der Bundesbürger der Meinung, dass Deutschland offen gegenüber Flüchtlingen ist. Zugleich sehen jedoch mehr Bürger als noch vor zwei Jahren die Belastungsgrenze bei der Aufnahme erreicht. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern hat die Skepsis der Umfrage zufolge zugenommen.