sozial-Politik

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Schwesig und Union begrüßen Einigung bei der Pflegeausbildung




Berufsfachschule für Krankenpflege
epd-bild / Annette Zöpf
Ein Jahr rang die Koalition um eine Einigung bei der Pflegeausbildung. Der jetzt gefundene Kompromiss versöhnt die Kritiker kaum. Während sich Ministerin Schwesig zufrieden zeigt, warnen Pflegeexperten bereits vor erheblichen Umsetzungsproblemen.

Die Reform der Pflegeausbildung sorgt auch nach dem Kompromiss zwischen den Regierungsfraktionen für Diskussionen. Während Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) am 7. April die nach zähem Ringen erzielte Einigung begrüßte, betonte der Deutsche Pflegerat, die Reform gehe nicht weit genug. Kritik äußerten auch die Grünen. Ob die nun getroffene Vereinbarung fachlich trage, sei keineswegs sicher: "Zu viele Fragen lässt der Kompromiss offen", hieß es. Das sieht auch der Caritasverband als Problem.

Die Vereinbarung vom 6. April sieht vor, die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege in den ersten beiden Jahren zu einer gemeinsamen Pflegeausbildung zusammenzuführen. Danach können die Auszubildenden selbst entscheiden, ob sie im dritten Lehrjahr einen generalistischen Abschluss für alle drei Berufe oder einen spezialisierten Abschluss für einen der Berufe anstreben. Wer nach zwei Jahren die Ausbildung beendet, erhält den Titel "Pflegeassistenz". Schwesig: Beruf wird aufgewertet

Schwesig sieht "richtigen Schritt"

Ministerin Schwesig ist überzeugt, dass die Einigung ein wichtiger Schritt ist, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und den Pflegeberuf aufzuwerten. Dazu trage die Abschaffung des bisherigen Schulgelds, eine angemessene Ausbildungsvergütung und der generalistische Berufsabschluss bei. Die Mitarbeiter im Kranken- und Pflegebereich müssten "die Wertschätzung bekommen, die sie verdienen", sagte Schwesig. Deshalb sei es gut, dass endlich ein Kompromiss gefunden worden sei.

Für die Grünen sagte Elisabeth Scharfenberg, die Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik, mit dem bestehenden Reformentwurf werfe die Koalition zwei grundlegend verschiedene Modelle in einen Topf, ohne dabei wirklich neue Lösung zu finden. "So will die Koalition die generalistische und die von uns geforderte integrativ-gestufte Ausbildung jeweils ein bisschen einführen." Ob das wirklich ein sinnvoller und praktikabler Ansatz sei, müsse nun intensiv geprüft werden.

"Große Reform ist gescheitert"

Der Deutsche Pflegerat befürchtet, dass es durch die Öffnung der generalistischen Ausbildung im letzten Lehrjahr bei der stationären Altenpflege weniger Auszubildende geben wird. Der Kompromiss bleibe hinter den Zielen zurück, eine große Reform der Pflegeausbildung sei gescheitert, kritisierte Pflegeratspräsident Andreas Westerfellhaus.

"Der Kompromiss zur Pflegeausbildung macht endlich den Weg für die Generalistik frei", sagte Caritas-Präsident Peter Neher in Berlin: "Jetzt müssen die weiteren gesetzgeberischen Schritte zügig erfolgen, damit eine zukunftsfeste Pflegeausbildung noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht wird." Der Kompromiss lasse im Detail jedoch noch viele Fragen offen, betonte Neher, und bedeute auch eine Herausforderung für die Pflegeschulen.

Der Vizepräsident des Arbeitgeberverbandes Pflege, Friedhelm Fiedler, prognostiziert ein schwindendes Interesse vor allem von Hauptschülern an der Altenpflege. Der Ausbildungsstoff werde sich künftig stärker an der Krankenpflege orientieren und mehr theoretische Inhalte enthalten, ist er überzeugt. In der Krankenpflege liege der Abiturienten-Anteil bei 70 Prozent, in der Altenpflege-Ausbildung seien jedoch 60 Prozent Hauptschüler. "Viele Hauptschüler werden von zu viel Theorie abgeschreckt", sagte Fiedler: "Die alten Menschen und die Altenpflege werden zum Opfer dieser Reform."

"Kein Kompromiss als Selbstzweck"

Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe, sagte, der Einsatz für den Erhalt des Altenpflegeberufs habe sich ausgezahlt. "Es darf aber keinen Kompromiss als Selbstzweck geben. Deshalb muss die Forderung aufrecht erhalten bleiben, dass vor der gesetzlichen Einführung einer neuen Ausbildung Struktur, Inhalt und Finanzierung klar sein müssen." Bevor die Ausgestaltung auch einer integrierten Pflegeausbildung nicht geklärt sei, "ist es aus unserer Sicht zu früh, zu beurteilen, wie sinnvoll die neuen Reformvorschläge sind".

Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, verwies auf noch offene organisatorische Fragen. Unklar sei unter anderem, wie der Wechsel zwischen den Trägern der Ausbildung organisiert werden soll, wenn sich die Auszubildenden nach zwei Jahren für einen anderen Abschluss entschieden.

Krankenhäuser sehen Umsetzungsprobleme

Auch die Krankenhausgesellschaft DKG warnte vor "nicht überschaubaren Umsetzungsproblemen". Die konkreten Inhalte der Pflegeausbildung müssten in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vorgegeben werden, die Finanzierung gesichert und die Umsetzung praktikabel sein, sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Für den Berufsabschluss Pflegeassistenz forderte er einen eigenen staatlich anerkannten Ausbildungsgang. "Auszubildende mit dem Berufswunsch Pflegeassistenz dürfen nicht die Plätze für den Generalistikabschluss blockieren."

"Dass die Koalitionsfraktionen das Gesetz zur Pflegeberufereform noch vor der Sommerpause verabschieden wollen, ist eine gute Nachricht", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands, Ingo Morell: "Während sich für die Gesundheits- und Krankenpflege neue Perspektiven eröffnen, bleiben die Kinderkranken- und die Altenpflege allerdings weiterhin als Einzel-Abschlüsse bestehen. Damit wird es in den kommenden Jahren leider noch keine Durchlässigkeit zwischen den Berufsfeldern in der Pflege geben." Der erste Schritt sei getan, und eine komplett generalistische Pflegeausbildung sei damit in der Zukunft durchaus noch möglich, betonte Morell.

Christina Denz, Dirk Baas

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