Ausgabe 08/2017 - 24.02.2017
Berlin (epd). Die Regierung plant unter anderem die Erweiterung der Abschiebehaft für Personen, von denen eine Gefahr für Leib und Leben anderer Menschen ausgeht. Zudem soll die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden beschränkt werden, die über ihre Identität täuschen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll künftig die Handys von Flüchtlingen zur Klärung der Identität auslesen dürfen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte nach dem Kabinettsbeschluss, gerade angesichts der zu erwartenden hohen Zahl an Ablehnungen von Asylanträgen sei es wichtig, dass die Ausreisepflicht durchgesetzt werde. Zu den Neuregelungen gehört auch eine Erweiterung des sogenannten Abschiebegewahrsams - ein Festhalten unter der Schwelle der Abschiebehaft - von vier auf zehn Tage.
Vorgesehen sind außerdem eine Verpflichtung der Jugendämter zum Stellen eines Asylantrags für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und die Möglichkeit zur Verlängerung der Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende mit geringer Chance auf einen positiven Asylbescheid.
Mit dem Gesetz soll ein Teil der Beschlüsse der Sonderkonferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 9. Februar umgesetzt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten hatten ein Maßnahmenpaket mit insgesamt 15 Punkten vereinbart. Der erste betrifft das im Kabinett verabschiedete Gesetz, das noch im Bundestag und Bundesrat beraten werden muss. Die Bundesländer behielten sich vor, das Gesetz im Lichte des konkreten Entwurfs zu bewerten. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte bereits Widerstand angekündigt.
Auch Sozialverbände und Flüchtlingsorganisationen kritisierten die schärferen Abschieberegelungen. In einer gemeinsamen Stellungnahme von insgesamt 20 Organisationen, darunter Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Kinderhilfswerk, SOS-Kinderdorf und terre des hommes, wird vor allem auf die betroffenen Kinder und Jugendlichen verwiesen. Durch den längeren Verbleib in Erstaufnahmeeinrichtungen würde ihnen dauerhaft der Zugang zu Schulen verwehrt, rügen die Verbände.
Sie unterstreichen, dass Kinder und Jugendliche grundsätzlich so kurz wie möglich in Flüchtlingseinrichtungen untergebracht werden sollten, weil diese Bauten oftmals nicht sicher und nicht kindgerecht sind. "Das Zusammenleben mit vielen fremden Menschen auf engem Raum, mangelnde Privatsphäre und fehlende Rückzugsorte haben negative Auswirkungen auf die Sicherheit und das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen", lautet die Kritik. Zudem seien der Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie zu Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen stark eingeschränkt.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte: "Statt das Bleiberecht großzügig anzuwenden, das erst 2015 geschaffen wurde, werden mit den neuen Regelungen zur Abschiebehaft rechtsstaatliche Grundsätze gefährdet." Abschiebehindernisse wie die fehlende Aufnahmebereitschaft des Herkunftsstaates blieben trotz Haft bestehen. Und: "Sozialer Unfriede und gesellschaftliche Polarisierung sind vorprogrammiert, wenn Asylsuchende, Geduldete und ihre Kinder gezwungen werden, unbefristet und ohne Arbeit in Aufnahmeeinrichtungen zu leben." Derartige mit heißer Nadel gestrickte politische Vorhaben gefährdeten die Grundrechte, "sie schielen in die ultrarechte Ecke und nützen dem Anliegen wenig."
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl warnte vor einer "Brutalisierung der Abschiebepraxis" und vor dem Hintergrund der Handy-Ausleserechte vor einem "gläsernen Flüchtling". De Maizière widersprach derweil der Befürchtung von Pro Asyl, durch die Überprüfung der Handys könnten Reiserouten rekonstruiert werden, um mehr Dublin-Abschiebungen zu ermöglichen.
Auch in einigen Bundesländern werden die Abschiebungen kritisch gesehen. Schleswig-Holstein hat einen Abschiebestopp für Afghanen erlassen, den Bundesinnenminister de Maizière kritisiert hat. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) verteidigte vor dem Landtag in Kiel die Entscheidung seiner Regierung. Er verwies unter anderem auf über 3.500 Kinder, die im vergangenen Jahr in Afghanistan verletzt oder getötet wurden. Die Mehrheit der Menschen im nördlichsten Bundesland wolle nicht, dass Menschen dorthin abgeschoben werden, betonte Albig.