Ausgabe 48/2017 - 02.12.2016
Berlin (epd). Die heutige Rentnergeneration steht relativ gut da. Das geht aus dem Alterssicherungsbericht hervor, den Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am 30. November in Berlin zusammen mit dem Rentenversicherungsbericht 2016 dem Bundeskabinett vorgelegt hat. Danach verfügt ein Rentnerehepaar im Durchschnitt über eine monatliches Brutto-Haushaltseinkommen von 2.390 Euro. Alleinstehende haben 1.590 Euro brutto zur Verfügung. Von den Bezügen gehen Kranken- und Pflegekassenbeiträge ab.
Werden weitere Einkommensarten jenseits der Rente und privater Altersvorsorge hinzugerechnet, verfügen Ehepaare im Durchschnitt über 2.543 Euro netto, alleinstehende Männer über 1.614 Euro und Frauen über 1.420 Euro netto im Monat. Dem Bericht zufolge beziehen gegenwärtig 20,8 Millionen Menschen eine Rente. Von den Arbeitnehmern sorgen laut Alterssicherungsbericht rund 70 Prozent zusätzlich über eine Betriebsrente oder einen Riester-Vertrag vor, allerdings nur 47 Prozent der Geringverdiener, die besonders von Altersarmut bedroht sind.
Zur Bekämpfung der Altersarmut haben sich die Spitzen der großen Koalition in der Nacht zum 25. November lediglich auf einen Punkt geeinigt: Sie wollen die Erwerbsminderungsrenten erhöhen. Keine Beschlüsse gab es hingegen zur Lebensleistungsrente gegen Altersarmut und zur Einbeziehung der Solo-Selbstständigen in die gesetzliche Rente. Indes haben sie sich auf die Angleichung der Ostrenten an das Westniveau verständigt. Bereits vor dem Renten-Spitzentreffen war eine Reform der betrieblichen Altersvorsorge vereinbart worden. Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist nun auf dem Weg in den Bundestag.
- Angleichung der Ost- und Westrenten: Bis zum Jahr 2025 sollen die Rentenwerte in Ost und West gleich sein. Für einen Rentenpunkt bekommt man dann im Osten monatlich genauso viel Rente wie im Westen. Gegenwärtig liegt der Rentenwert Ost bei 94,1 Prozent des Westwerts - das sind 28,66 Euro im Vergleich zu 30,45 Euro.
Die Angleichung soll nicht bis 2020 erfolgen, wie im Koalitionsvertrag festgelegt, sondern in sieben Schritten bis 2025. Was für die Rentner nachteilig ist, hat für die Arbeitnehmer einen Vorteil: Die Höherwertung der im Durchschnitt geringeren Einkommen im Osten für die Rentenberechnung wird langsamer abgeschmolzen, kommt den heute Berufstätigen also länger zugute, bis - 35 Jahre nach der Wiedervereinigung - die Renteneinheit erreicht sein wird.
- Künftige Erwerbsminderungsrenten steigen: Wer nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt arbeiten kann, muss eine sogenannte Erwerbsminderungsrente beantragen. Laut Bundesarbeitsministerium betrug eine volle Erwerbsminderungsrente 2014 durchschnittlich 672 Euro im Monat, weshalb immer mehr dieser Rentner auf die Grundsicherung angewiesen sind.
Union und SPD wollen die Erwerbsminderungsrente deshalb von 2018 an bis 2024 in sechs Schritten erhöhen. Das geschieht, indem die Rente nach und nach so berechnet wird, als hätte der Beschäftigte 65 Jahre gearbeitet. Heute sind es 62 Jahre. Am Ende werden die Betroffenen laut CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt monatlich im Durchschnitt 50 Euro mehr auf dem Konto haben. Das soll laut Bundesarbeitsministerium aber nur für Neurentner gelten. Für die heutigen rund 1,8 Millionen Erwerbsminderungsrentner ändert sich folglich nichts.
- Betriebliche und private Altersvorsorge: Tarifpartner sollen künftig Betriebsrenten-Modelle für ganze Branchen aushandeln können, damit auch kleine Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge anbieten. Betriebsrenten für Geringverdiener werden steuerlich gefördert und die Arbeitgeber aus der Haftung entlassen.
Für die staatlich geförderte Riester-Rente soll ein einfaches Standard-Produkt eingeführt werden, weil das Vertrauen in diese Vorsorgeform gesunken ist und die Vertragsabschlüsse stagnieren. Der Anreiz für Geringverdiener, privat oder betrieblich vorzusorgen, soll durch Freibeträge erhöht werden. Wer also im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein sollte, soll den Plänen zufolge künftig dennoch bis zu 200 Euro monatlich von seiner Betriebs- oder Riester-Rente behalten können. Heute werden alle Einkünfte angerechnet.
Nach dem Koalitionstreffen präsentierte die SPD-Ministerin Nahles ihr im Sommer angekündigtes Gesamtkonzept zur Alterssicherung. Sie fordert darin ein Mindest-Rentenniveau von 46 Prozent im Jahr 2045 und eine Höchstgrenze für den Beitrag von 25 Prozent. Bisher gibt es gesetzliche Festlegungen nur bis 2030.
Um die gesetzliche Rente langfristig zu stabilisieren, ohne die Beitragszahler zu überfordern, seien staatliche Zuschüsse in Milliardenhöhe notwendig, sagte Nahles. Die Rente sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. «Es ist gestern eine Chance verpasst worden», kritisierte Nahles das Ergebnis des Koalitionstreffens. Die Union habe sich dagegen entschieden, eine doppelte Haltelinie festzulegen. Als Grund nannte Nahles, dass sich CDU und CSU nicht einig würden, wie die Kosten für eine Stabilisierung der Rentenversicherung aufzubringen seien.
Gegenwärtig liegt das Rentenniveau bei 48 Prozent. Ohne staatliche Eingriffe sänke es den Prognosen der Bundesregierung zufolge bis zum Jahr 2045 auf 41,6 Prozent. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis zwischen der Durchschnittsrente nach 45 Beitragsjahren und dem aktuellen Durchschnittseinkommen. Wenn das Niveau sinkt, steigen die Renten langsamer als die Löhne.
Die Einbeziehung von Solo-Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung ist nach Angaben aller Beteiligten für diese Wahlperiode vom Tisch. In den kommenden zwei Wochen wollen Union und SPD aber noch einmal einen Einigungsversuch zur Solidar- oder Lebensleistungsrente gegen Altersarmut unternehmen, die sie bei Regierungsantritt verabredet hatten.
Die Opposition sieht den Rentengipfel gescheitert und den Wahlkampf eröffnet. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, kritisierte, die Koalition kapituliere vor der wachsenden Altersarmut und zögere die Angleichung der Ostrenten weiter heraus. Der Renten-Experte der Grünen im Bundestag, Markus Kurth, warf Nahles vor, Milliardenversprechen für die Zukunft zu machen, statt die Rentenversicherung in dieser Wahlperiode weiterzuentwickeln.