Ausgabe 39/2016 - 30.09.2016
Berlin, Köln (epd). Nachdem am Niederrhein mehrere Patienten in einem alternativen Krebszentrum starben, ist die Heilpraktikerausbildung in Deutschland erneut in die Schlagzeilen gerückt. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) denkt nun über strengere Zulassungsregeln nach. Jetzt gehe es darum, "mögliche Lücken im Patientenschutz zu identifizieren und zu beseitigen", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Und Gesundheitsstaatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) schrieb in ihrer Antwort auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen, dass man "die aktuellen Vorgänge zum Anlass für eine kritische Prüfung im Bereich der komplementärmedizinischen Methoden" nehmen wolle.
Bei dem konkreten Fall am Niederrhein hatte ein Heilpraktiker seine Patienten mit einem nicht als Medikament zugelassenen Mittel behandelt, die daraufhin verstorben waren. In einem anderen Fall muss sich ein Heilpraktiker in Bayern wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten, weil er eine Krebspatientin mit Pendel und Homöopathie behandelt hatte. Bundesweit gibt es etwa 43.000 Heilpraktiker.
"Die Bundesregierung ist nun angehalten, gemeinsam mit den Heilpraktikerverbänden für einheitliche, hochwertige und verbindliche Ausbildungsstandards zu sorgen", fordert die Gesundheitsexpertin der Grünen im Bundestag, Kordula Schulz-Asche. Dagegen sei absolut nichts einzuwenden, entgegnet Ulrich Sümper, Präsident des Bundes Deutscher Heilpraktiker, in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Uns ärgert es enorm, dass immer auf den Prüfungen herumgeritten wird. Dabei liegt etwa dem Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen schon seit Jahren eine Empfehlung für einheitliche Prüfungen vor."
Heilpraktikerverbände setzen sich seit langem für eine bundesweite Regelung und verbindliche Ausbildungsinhalte ein. "Es ist nicht einzusehen, warum das von Bundesland zu Bundesland verschieden ist." Sümper würde es sehr begrüßen, "wenn man sich in der Heilpraktikerausbildung an einem Katalog orientieren könnte, der überall gleich ist". Bislang werden die Prüfungen von den Gesundheitsämtern der Kommunen abgenommen.
Allerdings weist Sümper vehement Vorwürfe zurück, die bisherige Prüfung sei nicht ausreichend: "Die sogenannte Kenntnisüberprüfung, wie sie korrekt heißt, ist richtig schwer, mit enormen Durchfallquoten."
Das kann auch Heilpraktikerin Jessica Rudmann bestätigen, die ihre Prüfung 2014 in Köln absolviert hat. Nach einer zweijährigen Ausbildung an einer Heilpraktikerschule bereitete sie sich ein weiteres Jahr ausschließlich darauf vor: erst auf die schriftliche Prüfung in Form von Multiple-Choice-Fragen und dann auf die mündliche, die eine Amtsärztin abnahm. "Ich habe ein Jahr lang nichts anderes gemacht, als von morgens bis spät abends zu lernen."
"Wir mussten die gesamte Pathologie, Physiologie und Anatomie des menschlichen Körpers bis ins kleinste Detail beherrschen, und dazu noch mehrere hundert Krankheitsbilder auswendig können." Beide Prüfungen hätten weniger als 20 Prozent der Prüfungskandidaten bestanden, erinnert sie sich.
Viele Vorwürfe dem Beruf der Heilpraktiker gegenüber seien schlicht ungerecht und basierten auf Unwissen, kritisiert sie. So findet sie die Forderung der Bundestagsabgeordneten Schulz-Asche nach "Melde- und Dokumentationspflichten für Heilpraktiker" schlicht lächerlich: "Das gibt es schon längst. Ich muss jede Diagnose und jede Therapie, jedes Kügelchen und jede Akupunkturnadel, die ich setze, aufs Genaueste dokumentieren und in der Patientenakte festhalten."
Der gesamten Heilpraktikerbranche zur Last zu legen, was am Niederrhein und in Bayern passiert sei, sei hanebüchen, sagt Ulrich Sümper. "Dort wurde, wenn sich die Vorwürfe bestätigen, schlicht kriminell gehandelt." Sümper weist Zweifel an seinem Berufstand zurück. "In keinem anderen medizinischen Beruf gibt es eine so niedrige Schadensquote wie bei den Heilpraktikern."