Ausgabe 39/2016 - 30.09.2016
Berlin (epd). Das Rentenniveau könnte im Jahr 2045 bei 41,6 Prozent des Durchschnittslohns liegen und damit um mehr als sechs Prozentpunkte unter dem heutigen Niveau von 47,8 Prozent. Dies geht aus neuen Berechnungen aus dem Bundesarbeitsministerium hervor, die am 28. September in Berlin bekanntwurden. Der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums legte einen Tag später ähnliche Zahlen vor.
Das fortlaufende Abrutschen des Sicherungsniveaus untergrabe das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung und verunsichere Arbeitnehmer und Rentner, hieß es aus dem Arbeitsministerium. Es brauche eine Haltelinie beim Rentenniveau. Die Berechnungen gehen erstmals über das Jahr 2030 hinaus, bis zu dem alle bisherigen Prognosen reichen.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund begrüßte, dass Berechnungen über die Entwicklung in der Rentenversicherung über das Jahr 2030 hinaus angestellt werden. Denn dadurch könnten "belastbare Vorstellungen über weitere Anpassungsbedarfe wie über Anpassungsmöglichkeiten" entwickelt werden. Es ist jetzt durchaus an der Zeit, darüber zu reden, ob wir neue Leitplanken nach 2030 bei Rentenniveau und Beitragssatz brauchen und wie diese aussehen sollen", erklärte der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Gewerkschaften und Teile der SPD fordern seit Monaten eine Stabilisierung des Rentenniveaus. Die jüngsten Zahlen der Bundesregierung unterstreichen nach Auffassung des DGB den Reformbedarf. "Die Regierung muss jetzt handeln, nach 2030 ist es definitiv zu spät" sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in Berlin. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will im November ein Gesamtkonzept für die Alterssicherung vorlegen, das die neuen Zahlen berücksichtigt.
Aus den Berechnungen geht auch hervor, wie teuer es wäre, das Rentenniveau zu halten. Die Rentenversicherung würde jedes Jahr 40 Milliarden Euro zusätzlich benötigen, davon 32 Milliarden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern und acht Milliarden Zuschuss vom Bund. Im Jahr 2045 läge der Beitrag dann bei 26,4 Prozent des Einkommens. Heute beträgt er 18,7 Prozent. Er ist bis 2020 auf 20 Prozent und bis 2030 auf 22 Prozent begrenzt. Für die darauffolgenden Jahre gibt es keine Vorgaben.
Für Geringverdiener und kleine Selbstständige muss aus Sicht des Arbeitsministeriums schnell etwas getan werden, um sie vor Altersarmut besser zu schützen. Die geplante Reform der betrieblichen Altersversorgung soll Geringverdienern zugutekommen. Geplant sind staatliche Zuschüsse, damit mehr Beschäftigte es sich leisten können, einen Teil ihres Lohns für die zusätzliche Rente aufzuwenden. 2015 hatten 17,7 Millionen Arbeitnehmer eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung.
Auf das Konzept hat sich Nahles bereits mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verständigt. Sie will demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen. Einzelheiten sollen die Tarifpartner vereinbaren. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann erklärte, ein Konsens zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften liege noch in der Ferne. Insbesondere sei nicht klar, wer künftig für die Betriebsrenten hafte.
Einzelheiten über eine stärkere Unterstützung kleiner Selbstständiger wurden noch nicht bekannt. Fast die Hälfte der ehemaligen Selbstständigen erhält den Angaben aus dem Arbeitsministerium zufolge schon heute eine Rente von weniger als 1.000 Euro im Monat. Der Anteil der Kleinverdiener unter den Selbstständigen steigt seit Jahren.
Den heutigen Rentnern geht es indes noch gut. Nur drei Prozent sind auf die staatliche Grundsicherung angewiesen, von den ehemals Berufstätigen nur zwei Prozent. Ein Ehepaar hatte 2015 im Durchschnitt zusammen ein Einkommen von 2.543 Euro, ein alleinstehender Mann 1.614 Euro und eine alleinstehende Frau 1.420 Euro. Die Einkommen setzen sich aus der gesetzlichen Rente und weiteren Einkünften zusammen.