sozial-Recht

Bundesverwaltungsgericht

Schmerzpatient darf Cannabis anbauen




Bundesverwaltungsgericht erlaubt Anbau von Cannabis in der Wohnung.
epd-bild/Jens Schulze
Der private Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken ist erstmals erlaubt worden. Weil es für ihn keine Alternative gibt, darf ein Multiple-Sklerose-Patient die Pflanzen in seiner Wohnung züchten.

Schwer kranken Patienten ist erstmals die Möglichkeit zum eigenen Anbau von Cannabis eröffnet worden. In einem wegweisenden Urteil verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 6. April das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, einem an Multipler Sklerose leidenden Mann eine Ausnahmegenehmigung für den Anbau und die Ernte der Pflanzen zu erteilen. Bislang war in solchen Fällen noch nie eine Erlaubnis erteilt worden.

Drei Gramm Cannabis am Tag

Das Gericht erkannte an, dass es für den Mann schlichtweg keine Alternative zum Eigenanbau gibt. Der 52-Jährige leidet seit rund 30 Jahren an Multipler Sklerose und konsumiert zur Linderung der Symptome regelmäßig Cannabis - zwischen drei und vier Gramm pro Tag. Damit lassen sich für den Patienten vor allem Störungen des Gleichgewichtssinns und der Motorik besser bewältigen. Aber auch psychische Auswirkungen seiner mittlerweile chronischen Krankheit werden durch den Konsum des Rauschmittels gemildert.

Aus Sicht seiner Ärzte gibt es für den Patienten keine alternative Therapie. Auch ein anderes Medikament auf Cannabisbasis, für das die Krankenkasse die Kosten in Höhe von knapp 500 Euro pro Monat übernehmen würde, stellte sich als deutlich weniger wirkungsvoll heraus.

Mittlerweile hat der Kläger sogar eine Erlaubnis, sich Medizinalhanf in der Apotheke zu besorgen. Doch dort kostet ein Gramm etwa 15 Euro, jeden Monat wären das bei seinem Konsum mindestens 1.500 Euro - was sich der schwer kranke und erwerbsunfähige Mann nicht leisten kann. Die Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme mehrfach ab.

"Gerechtfertigter Notstand"

Seit Jahren baut der 52-Jährige daher in seinem heimischen Badezimmer selbst Cannabis an - zunächst in der Dusche, mittlerweile in einem eigens dafür angefertigten Schrank. Juristisch belangt wird er dafür nicht. Es liege ein "gerechtfertigter Notstand" vor, urteilte bereits im Jahr 2005 das Amtsgericht in Mannheim.

Eine offizielle Erlaubnis für den Eigenanbau wurde ihm aber - wie auch in vergleichbaren Fällen - vom Bundesinstitut verweigert. Die Behörde sorgte sich unter anderem um die Qualität der selbst hergestellten Arzneimittel und den möglichen Missbrauch des Rauschmittels. Auch stellte sich das Bundesinstitut die Frage, ob der Anbau und der Konsum ärztlich ausreichend kontrolliert ist. Die Leipziger Richter folgten dieser Argumentation nicht. Das Bundesinstitut darf nun lediglich Nebenbestimmungen zur Erteilung der Anbaugenehmigung noch erlassen.

Politisch fällt die Gerichtsentscheidung in eine Umbruchphase: Erst im Januar hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) einen Entwurf für eine Gesetzesänderung vorgelegt. Diese zielt darauf ab, dass künftig die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für den Medizinalhanf übernehmen sollen. Schmerzpatienten wie der 52-Jährige könnten so auf den Eigenanbau aus finanziellen Gründen verzichten. Den will die Politik offensichtlich unbedingt verhindern. Im Entwurf für das Gesetz heißt es, ein Eigenanbau sei keine Alternative und komme aus "gesundheits- und ordnungspolitischer Sicht" nicht infrage.

Mit der Neuregelung könnten die Patienten sich den Cannabis direkt vom Arzt verschreiben lassen und bräuchten keine zusätzliche Genehmigung durch das Bundesinstitut. Noch steht aber nicht fest, wie die Gesetzesänderung im Detail aussehen wird. Die Neuregelung könnte frühestens im Jahr 2019 wirksam werden.

Az.: BVerwG 3 C 10.14

Luise Poschmann

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