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Tschechien dämmt das Glücksspiel ein




Spielhalle im Prager Stadtteil Smichov
epd-bild / Kilian Kirchgeßner
Tschechien wird wohl nicht mehr lange als Paradies für Glücksspieler gelten. Das Nachbarland plant, in diesem Jahr ein reglementierendes Gesetz zu verabschieden. Doch bei Experten stoßen die Pläne auch auf Bedenken.

An der Hauptstraße durch eines der eleganten Prager Wohnviertel finden sich Restaurants, Designer-Läden - und dazwischen immer wieder Spielhallen mit blinkender Neonreklame an der Fassade. "An dieses Bild haben sich die meisten Prager inzwischen gewöhnt", sagt Martin Svoboda. Er geht auf die 40 Jahre zu und ist Kopf einer Bürgerinitiative, die sich in Tschechien gegen das Glücksspiel engagiert. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil er selbst ein ehemaliger Glückspieler ist.

In den Spielhallen sei es dreckig, "es werden keinerlei Regeln eingehalten, und Zielgruppe sind Leute, die versuchen, da das Geld für ihre Miete zusammenzuspielen", berichtet Svoboda aus eigener Erfahrung. "Als ich 26 Jahre alt war, habe ich innerhalb von zwei, drei Jahren 300.000 Euro verspielt. Danach wollte ich so schnell wie möglich die Seiten wechseln, damit anderen Familien diese Erfahrung erspart bleibt."

Schwammige Obergrenze

Das Ziel seiner Initiative sei nicht die vollständige Abschaffung des Glücksspiels, aber die "vernünftige Regulierung". Denn in Tschechien gibt es bislang so wenige Einschränkungen wie sonst fast nirgends in Europa. Immerhin: Nach jahrelangem Kampf der Glücksspiel-Gegner steht der tschechische Markt, der bislang zu den liberalsten in Europa gehört, nun vor einer strengeren Regulierung.

Das geplante Gesetz, das in diesem Jahr verabschiedet werden soll, ist erst schemenhaft zu erkennen. Im Kern geht es darum, das Glücksspiel besser zu kontrollieren - mit Obergrenzen für die Verluste sowie einer Identifikation und Spielverboten für Risiko-Spieler. Und, als zweites Bein, sollen bessere Präventionsangebote vorgeschrieben werden. Die neuen Regeln sollen nach derzeitiger Planung 2017 in Kraft treten.

In Tschechien erlaubt das heutige Gesetz drei verschiedene Arten von Spielbetrieben: Zum einen gibt es die Automaten, die in Kneipen und Bars aufgestellt sind, dann die Spielhallen und schließlich die Casinos. Weitgehend reguliert sind nur die Kasinos: Wer hier spielt, muss sich beispielsweise an der Rezeption ausweisen.

In den Spielhallen sind, anders als in Deutschland, alkoholische Getränke erlaubt, und es gibt nur eine schwammige Obergrenze für die Spielverluste. Während in Deutschland der maximale Verlust pro Stunde gesetzlich geregelt ist, bezieht sich die Obergrenze an tschechischen Automaten auf ein einzelnes Spiel. Damit ist der denkbare finanzielle Verlust weitaus höher.

Prag nutzt seit dem Jahreswechsel die bereits bestehende gesetzliche Möglichkeit, dass die Kommunen den Spielbetrieb selbst einschränken können - und verbietet alle Spielhallen. Nur Kasinos dürfen noch an ausgewählten Orten in Betrieb bleiben.

Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Aktivist Svoboda. "Als wir vor sechs Jahren mit unserer Initiative angefangen haben, gab es in Prag 1.600 Spielhallen und Kasinos." Nach der Neuregelung würden es noch 100 Spielstätten sein.

"Es geht in Richtung Prohibition"

Beim tschechischen Glücksspielverband ist man mit der neuen Regelung indes nicht zufrieden. "Vor dem Jahr 2010 gab es ein Überangebot an Spielhallen, weil der Staat nicht in der Lage war, die Sache zu regulieren", sagt Sprecher Andrej Cirtek. Seither aber habe sich die Situation gebessert. "Jetzt schlägt das Pendel aber ins andere Extrem: es geht in Richtung Prohibition."

Wenn Städte und Gemeinden selbst festlegen könnten, an welchen Orten Spielangebote bestehen bleiben können, öffne das die Tür für Korruption. Und eine Beschränkung auf Kasinos schließe jene Bürger aus, die lieber in Spielhallen gingen. Das Beispiel Polen zeige, dass die Regulierung "viele Spieler in die Illegalität treibt."

Nach Angaben des tschechischen Suchtbeauftragten ist der Umsatz der Glücksspiel-Anbieter zuletzt stark gestiegen. In den Jahren bis 2008 nahm das Marktvolumen demnach zu, es folgten einige Jahre des leichten Rückgangs. "Im Jahr 2014 ist der Umsatz der Branche aber wieder um 11,4 Prozent gestiegen", heißt es in einem aktuellen Papier. Er lag demnach bei rund 138 Milliarden Kronen, das entspricht mehr als fünf Milliarden Euro.

Kilian Kirchgeßner

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