Ausgabe 06/2016 - 12.02.2016
Brüssel (epd). Wenn ein Häftling im Rentenalter zur Gefängnisarbeit verpflichtet ist, handelt es sich nicht automatisch um Zwangsarbeit. Das geht aus einem am 9. Februar in Straßburg veröffentlichten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hervor, mit dem die Richter die Klage eines Schweizer Rentners abwiesen. Vielmehr komme es auf die Umstände der Arbeit an, erklärte das Gericht in einer Pressemitteilung.
Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet Zwangsarbeit. Sie erlaubt aber beispielsweise verpflichtende Arbeiten, die üblicherweise von rechtmäßig inhaftierten Personen zu leisten sind. Der Mann in der Schweiz hatte sich nach Gerichtsangaben mit dem Argument gewehrt, dass er bereits im Rentenalter sei. Dazu stellten die Richter generell fest, dass es unter den Mitgliedern des Europarats keine einheitliche Linie zur Häftlingsarbeit im Rentenalter gebe. Die Schweiz besitze daher einen breiten Auslegungsspielraum bei der Anwendung der Menschenrechtskonvention.
Inhaltlich stellte das Gericht fest, dass Zweck, Art und Ausmaß der Arbeit zu berücksichtigen seien. Im vorliegenden Fall habe die Arbeit den Zweck des Wohlbefindens verfolgt, weil sie den Häftling aktiv halten und seinem Leben Struktur geben sollte. Auch das Ausmaß von rund drei Stunden an sechs Tagen in der Woche war aus Sicht der Richter nicht zu beanstanden. Zudem wurde der Mann der Darstellung zufolge bezahlt. Was die Art der Arbeit angeht, so hatte die Schweiz laut Gerichtshof bereits 2012 in einem allgemeinen Bericht zur Gefängnisarbeit glaubhaft dargelegt, dass die Tätigkeiten den jeweiligen Fähigkeiten und dem Gesundheitszustand der Häftlinge angepasst seien.
Az.: 10109/14