Münster (epd). Der Bonner Virologe Hendrik Streeck wirbt um pragmatische Lösungen im Umgang mit der Corona-Pandemie. Die derzeit wieder steigenden Zahlen bei den Neuinfektionen machten deutlich, dass das Virus "Teil unseres Alltags" geworden sei und nicht wieder verschwinde, sagte Streeck am 19. August in Münster. Die Bevölkerung dürfe sich nicht von Angst leiten lassen, die Krankheit aber auch nicht unterschätzen.
Vielmehr gehe es im Umgang mit dem Virus darum, "zu lernen, mit Risiken intelligent umzugehen", sagte der Wissenschaftler weiter. Als Beispiel nannte er Großveranstaltungen. "Wenn ein Veranstalter mit einem guten Hygienekonzept vorschlägt, ein Konzert auszuprobieren, so ist es einen Gedanken wert, zu überlegen, ob man dies nicht versuchen sollte - vielleicht auch wissenschaftlich begleitet", gab der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn zu bedenken. Überdies warnte er vor einer "medial aufgeheizten Panik", wenn die Zahlen der Neuinfektionen wieder anstiegen.
Kritik an "Politisierung des Virus"
Zugleich kritisierte Streeck, der vor allem für seine Studie zum Corona-Infektionsgeschehen im rheinischen Kreis Heinsberg bekanntgeworden ist, vor einer "Politisierung des Virus". Einen Wettstreit der Bundesländer darum, wer das Virus am besten bekämpft, ist seiner Meinung nach nicht ratsam. Politik müsse auch Fehler machen dürfen, um daraus zu lernen, erklärte der Virologe. Auch in der Wissenschaft sei ein "vorurteilsfreier Diskurs" nötig, um weitere Erkenntnisse im Kampf gegen das Virus zu gewinnen. "Bislang gibt es eben nicht den einen und einzig richtigen Weg zur Bekämpfung des Virus", sagte Streek.
Der Wissenschaftler sprach im Rahmen der "Domgedanken" im St.-Paulus-Dom in Münster. Die Vortragsreihe des Bistums Münster steht in diesem Jahr unter dem Motto "Zurück zum Leben mit Corona - Fünf Abende der Hoffnung" und findet noch bis zum 9. September jeweils mittwochs statt. Weitere Referenten sind der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, Michael Hüther, die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen und das Vorstandsmitglied für Innovation und Technologie bei der Deutschen Telekom, Claudia Nemat.