Das Saarland hat 2019 insgesamt 260 rechtsextremistisch motivierte Straftaten verzeichnet. "So viele hatten wir noch nicht", sagte der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium, Helmut Albert, am 21. August in Saarbrücken. 2018 waren es noch 215 registrierte Straftaten. 85 Prozent der Taten seien Propagandadelikte und Volksverhetzung gewesen. Das so genannte Personenpotenzial im Bereich Rechtsextremismus liegt dem "Lagebild Verfassungsschutz 2019" zufolge bei 330 und umfasst damit 20 Menschen mehr als 2018.

Täter kommen aus Mitte der Bevölkerung

Zwar sei die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten von 18 auf 11 gesunken, jedoch kämen die Täter aus der Mitte der Bevölkerung, erklärte der saarländische Verfassungsschutzchef. In der organisierten Szene habe sich die Gewaltbereitschaft nicht erhöht. "Es ist ein Beleg dafür, wie weit dieses Gift des Antisemitismus, des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit in die Bevölkerung schon hineingedrungen ist", betont er.

Dabei spielten organisierte Parteien weniger eine Rolle. Die NPD habe weder Überzeugungskraft noch Einfluss in der Szene. Stattdessen gebe es lose Gruppen im Internet. Während Linksextremisten bisher immer gescheitert seien etwa die Friedensbewegung zu kapern, sei der Rechtsextremismus erfolgreicher, sein Gedankengut in die Gesellschaft einsickern zu lassen.

Neben dem Rechtsextremismus bereite ihm auch der Islamismus Sorge, erklärte der Verfassungsschutzchef. Ihr Personenpotenzial sei um 20 auf 380 gestiegen. Dabei müsse sich der Verfassungsschutz auch immer wieder mit Menschen beschäftigen, die seit der Flüchtlingsbewegung von 2015 nach Deutschland gekommen seien. In den meisten Fällen könnten sie Hinweise entschärfen, sagte Albert. Auch wenn die Straftaten von 14 auf 3 zurückgegangen seien, spiegele das nicht die Gefährdung wider, da Gefahr- und Verdachtsfälle nicht erfasst würden, bis die Polizei übernehme.

Europa sei nach wie vor im Zielspektrum der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), auch wenn diese mittlerweile ausgedünnt sei. Wie beim Rechtsextremismus gehe es auch hier um Einzeltäter, die in keinem "realweltlichen Netzwerk", sondern in einer "virtuellen Ideenwelt" unterwegs seien. Bei den meisten Attentaten in Europa sei im Nachhinein eine Steuerung durch den IS festgestellt worden. "Die Gefahr des islamistischen Terrorismus ist nach wie vor real", sagte er.

Zwar sei der Salafismus dynamisch wachsend, jedoch seien nur zehn Prozent der Salafisten im Saarland auch als gewaltorientiert einzuschätzen, die meisten wollten politisch überzeugen und bekehren. Als vor Jahren viele junge Menschen aus Deutschland zum IS gingen, habe der saarländische Verfassungsschutz Kontakt zu den Salafisten gesucht. Diese hätten es sich dann zur Aufgabe gemacht, gegen die Terrormiliz Stellung zu beziehen. "Wir haben das mit einem Erfolg gemacht, den man statistisch messen kann", betonte Albert. Aus dem Saarland sei kein einziger Jugendlicher zum IS gegangen.

Verfassungsschutzchef besorgt über Verschwörungsmythen

Beim Linksextremismus ist das "Personenpotenzial" wie im Vorjahr bei 350 Menschen geblieben. Vor allem die sogenannten Autonomen beschäftigten den Verfassungsschutz. Ihr Versuch Fridays for Future zu kapern sei nicht gelungen, das hätten die Klimaaktivsten sofort unterbunden. Es gebe aber eine starke Überschneidung mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Bei Straftaten aus dem linksextremistischen Spektrum ging die Zahl um drei auf insgesamt fünf zurück.

Beim sogenannten Ausländerextremismus, zudem nicht der Islamismus zählt, ist die Zahl der Anhänger seit 2016 mit 475 konstant. Die größte Aufmerksamkeit habe hier die PKK mit 300 Mitgliedern, erklärte der Verfassungsschützer. Diese habe ein Mobilisierungspotential von 1.000 Menschen. Allerdings seien ihre Demonstrationen größtenteils friedlich, auch wenn sie verbotene Symbolik zeigten und damit Straftaten begingen. Im vergangenen Jahr waren es 36, 2018 waren es noch 21. Darunter waren drei Gewalttaten.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie warnte der saarländische Verfassungsschutzchef auch vor den Folgen von Verschwörungsmythen. "Wir müssen hier sorgfältig hingucken, denn ich sehe darin ein erhebliches Gefährdungspotenzial", sagte Albert. Verschwörungsmythen entwickelten sich etwa mit Blick auf die Proteste gegen die Anti-Corona-Maßnahmen zu einem Bindeglied zwischen Rechtsextremisten und zu im Kern bürgerlichen Protestbewegungen. Auch bei den Attentätern von Christchurch, Halle und Hanau hätten am Anfang der Radikalisierung Verschwörungsmythen gestanden.