Die Kirchen in Nordrhein-Westfalen haben im vergangenen Jahr knapp 214.000 Mitglieder verloren. Hauptgründe sind die Sterbefälle und die deutlich höhere Zahl der Austritte, wie aus den am 26. Juni veröffentlichten Mitgliedszahlen der evangelischen Landeskirche und katholischen Bistümer hervorgeht. Die Entwicklung entspricht dem deutschlandweiten Trend.

Die Mitgliederzahl der Evangelischen Kirche im Rheinland sank insgesamt um gut 1,9 Prozent auf 2,45 Millionen Mitglieder Ende 2019. In der Evangelischen Kirche von Westfalen ging die Zahl der Gläubigen um 2,2 Prozent auf 2,15 Millionen zurück, in der Lippischen Landeskirche um 1,4 Prozent auf 152.400 Mitglieder. Der Zahl der gestorbenen Gemeindemitglieder stünden nur etwa halb so viele Taufen gegenüber, erklärten die drei Landeskirchen.

Ähnlich ist die Entwicklung in der katholischen Kirchen: Die Zahl der Mitglieder sank im Erzbistum Köln um 1,9 Prozent auf 1,9 Millionen, im Ruhrbistum Essen um 2,1 Prozent auf knapp 740.000, im Bistum Aachen um 1,7 Prozent auf eine Million, im Bistum Münster um knapp 1,6 Prozent auf 1,82 Millionen und im Erzbistum Paderborn um 1,7 Prozent auf 1,47 Millionen Mitglieder.

Die Zahl der Kirchenaustritte stieg 2019 drastisch an - bei den fünf NRW-Bistümern zwischen 28,5 Prozent im Erzbistum Paderborn und 31,5 Prozent im Erzbistum Köln. Bei den evangelischen Landeskirchen gab es im Rheinland 23,2 Prozent mehr Kirchenaustritte als 2018, in Westfalen 29,7 Prozent und in Lippe 26 Prozent.

Präses Rekowski: Relevanz des Evangeliums spiegelt sich nicht in Zahlen

Die westfälische Kirche verwies darauf, dass auch schon höhere Austrittszahlen verzeichnet wurden, etwa nach der Einführung des Solidaritätszuschlags 1992 mit 25.177, ein Viertel mehr als 2019. Im Jahr 2014 traten mutmaßlich im Zusammenhang mit der Abgeltungssteuer 20.096 Mitglieder aus. Die Landeskirche reagiere auf die sinkenden Mitgliederzahlen mit einem "umfassenden und systematischen Prozess der Aufgabenklärung", sämtliche Arbeitsbereiche würden auf den Prüfstand gestellt, und Ausgaben verringert.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski betonte: "Die Relevanz des Evangeliums spiegelt sich nicht allein in den Trends und Zahlen." Viele Seiten der Kirche nehme nur derjenige wahr, "der besucht, der persönlich begleitet, mit dem gebetet wird". Die Kirche sei mit ihrer Seelsorge "nah bei den Menschen". Auf neue Wegen sollten zudem künftig Menschen erreicht werden, dies sich "in unseren Angeboten bislang nicht zuhause fühlen". Mit den sogenannten Erprobungsräumen fördert die Landeskirche neue kreative Projekte für Gemeinden.

Die Lippische Landeskirche erklärte, die größter Anteil am Mitgliederrückgang hätten die Altersentwicklung, aber auch Wanderungsbewegungen und Austritte spielten eine Rolle. Die erhöhten Austrittszahlen seien unter anderem auf eine wachsende Entfremdung gegenüber Kirche und Glauben sowie auf die generell abnehmende Bindungskraft von Institutionen zurückzuführen. Die lippische Kirche setzt ebenfalls auf die "Erprobungsräume", in denen neue Formen der Gemeindearbeit ausprobiert und gefördert werden.

Bischof Genn: "Wir sind nicht von gestern"

Der Münsteraner Bischof Felix Genn erklärte, für viele Menschen spielten die Gemeinschaft der Kirche und ihr Verkündigungsgehalt keine Rolle mehr. "Die Menschen müssen erfahren, dass wir als Christinnen und Christen gerne für sie da sind", betonte er. "Wir sind nicht von gestern, sondern stehen mitten in dieser Welt."

Der Generalvikar des Bistums Aachen, Andreas Frick, zeigte sich erschüttert von den Zahlen. Die Kirche müsse "intensiv arbeiten, wenn wir dem Anspruch gerecht werden wollen, die Freude der Botschaft Jesu für die Menschen sichtbar werden zu lassen".

Bundesweit verloren die beiden großen Kirchen 2019 erheblich mehr Mitglieder als in den vorangegangenen Jahren: Die Zahl der Protestanten ging um knapp 427.390 zurück, die Katholiken verloren rund 401.760 Mitglieder. Auf Basis der gemeldeten vorläufigen Zahlen traten 2019 bundesweit etwa 270.000 Menschen aus der evangelischen Kirche aus, rund 22 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Bei den katholischen Kirche annullierten über 272.700 Menschen ihre Mitgliedschaft - ein Anstieg um 26,2 Prozent.

Bei den Protestanten bewegte sich die Zahl der Taufen (160.000) und Aufnahmen (25.000) in etwa auf dem Vorjahresniveau, während bei den Katholiken beides im Vergleich zu 2018 deutlich abnahm. Nach den jüngsten Zahlen gehören noch 52,1 Prozent der Deutschen einer dieser beiden christlichen Konfessionen an.