Eine Bronzebüste von ihm steht schon seit sechs Jahren in dem kleinen Park vor dem Wuppertaler Opernhaus. Meterhoch thront dort Friedrich Engels und schaut auf das historische Engels-Haus, wo er als Sohn eines wohlhabenden Textilfabrikanten aufwuchs. Vor 200 Jahren, am 28. November 1820, wurde er im heutigen Stadtteil Barmen geboren. Wuppertal feiert daher 2020 das Engels-Jahr, das am 15. Februar mit einer großen Lichtinstallation am Opernhaus und Kulturprogramm offiziell eröffnet wurde.

Auch wenn Wuppertal den Geburtstag von Engels als wichtiges Ereignis ansieht - so wie Trier den 200. Geburtstag von Karl Marx vor zwei Jahren -, soll das Wirken des Philosophen und Sozialrevolutionärs mit der gebotenen historischen Distanz betrachtet werden. "Wir setzen ihn nicht auf einen Sockel", gibt Rainer Lucas, Mit-Kurator des Engels-Jahres, die Richtung vor. "Wir setzen uns kritisch mit ihm auseinander."

Engels gehörte zum Wirtschaftsadel

Über 100 Veranstaltungen - Ausstellungen, Vorträge und Diskussionen - sollen sich mit Engels beschäftigen. "Es ist unseres Wissens das bisher größte Event, das wir in Wuppertal je hatten", sagt Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD).

Engels und Wuppertal - das ist eine ganz besondere Beziehung. Auch wenn es die Stadt zu Engels' Zeiten genau genommen noch gar nicht gab: Sie wurde erst 1929 als Zusammenschluss mehrerer Städte gegründet. Engels gehörte zum örtlichen Wirtschaftsadel in einer Zeit, in der die damals selbstständigen Städte Elberfeld und Barmen das Zentrum der europäischen Textilindustrie bildeten. Das Tal der Wupper war einer der wichtigsten Motoren der Industrialisierung in Deutschland.

Wachsende kommunistische Überzeugung

Die wirtschaftliche Geschichte Wuppertals ist denn auch untrennbar mit Engels' Werdegang und seiner ökonomischen Kritik verbunden. Der junge Engels konnte sich nicht mit den Bedingungen des damaligen Unternehmertums anfreunden. Während seiner Tätigkeit im väterlichen Zweiggeschäft im britischen Manchester erlebte er menschenunwürdige Lebensverhältnisse der englischen Industriearbeiter, die er in seiner Schrift "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" festhielt.

Seine kommunistische Überzeugung wuchs: In der Schrift "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" skizzierte er die Rolle des Industrieproletariats beim Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft der Zukunft. In Paris traf er 1844 erstmals mit Karl Marx zusammen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit verband, aus der der wissenschaftliche Sozialismus hervorging.

Im gemeinsam verfassten "Kommunistischen Manifest" umrissen die beiden 1848 die Grundthesen des Marxismus und hoben besonders den Klassenkampf und die internationale Solidarität der Arbeiterschaft hervor. Engels ließ Marx, der einen bürgerlichen Lebensstil durchaus zu schätzen wusste und deshalb häufig pleite war, regelmäßig Geld zukommen. Nach Marx' Tod 1883 kümmerte sich Engels um die Herausgabe des zweiten und dritten Bandes des Marx-Werkes "Das Kapital".

Ausstellung über Beziehung zu Marx

Die Beziehung von Engels und Marx ist Thema einer großen Sonderausstellung, die im Zentrum des Engels-Jahres steht. Sie öffnet am 29. März im Haus der Jugend in Barmen ihre Pforten und schildert Engels' bewegtes Leben. Mit vielen Exponaten, Werken, Bildern und vor allem zeitgenössischen Fotos werden Ereignisse, Lebens- und Arbeitswelt auf dem Weg in die Moderne gezeigt. Auch Erstausgaben bedeutender Engels-Werke sowie originale Handschriften und persönliche Gegenstände sind zu sehen.

Engels' Geburtshaus soll pünktlich zum Geburtstag im November in neuem Glanz erstrahlen und wird dafür derzeit saniert. Das Haus gehört zum historischen Zentrum, direkt nebenan ist das - wegen der Arbeiten derzeit noch geschlossene - Museum für Frühindustrialisierung in zwei Industriebauten aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert untergebracht. Ein Glasbau soll nach dem Umbau beide Gebäudeteile miteinander verbinden.

Dass die benachbarte Engels-Statue einen älteren Herrn zeigt, obwohl er nur als junger Mann in Barmen lebte und 1895 in London starb, sorgt nicht wirklich für Irritationen. Das Kunstwerk ist ein Geschenk aus China - jenem Land, das die Symbiose aus Kapitalismus und kommunistischem Überbau aus der Taufe hob und damit nach den USA zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wurde. Die Statue brachte Wuppertal einen Zuwachs an chinesischen Touristen, die die Stadt auch für das Engels-Jahr im Blick hat - wenn nicht das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung macht.