Berlin (epd). In Deutschland zeigt jedes vierte Schulkind (24 Prozent) einer Studie zufolge psychische Auffälligkeiten. Dazu zählen etwa Sprach- oder motorische Störungen sowie andere weitere Entwicklungsstörungen, wie aus dem am 21. November in Berlin veröffentlichen "Kinder- und Jugendreport 2019" der DAK Gesundheit hervorgeht.
Beispielsweise leiden zwei Prozent der Kinder zwischen zehn und 17 Jahren an einer diagnostizierten Depression und ebenso viele unter Angststörungen. Laut der repräsentativen Studie der Krankenkasse sind davon bundesweit rund 238.000 Kinder und Jugendliche betroffen, wobei Mädchen doppelt so häufig wie Jungen daran erkranken.
Chronische körperliche Krankheiten erhöhen demnach das Risiko für eine Depression im Kinder- und Jugendalter deutlich. Auch das familiäre Umfeld sei ein Faktor: "Kinder seelisch kranker oder suchtkranker Eltern sind besonders gefährdet", sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm.
Mehrfach im Krankenhaus
Der Krankenkassen-Chef verwies darauf, dass eine Depressionen bei vielen Mädchen und Jungen der Grund für eine Klinikeinweisung sei. Fast acht Prozent aller depressiven Schulkinder würden innerhalb eines Jahres stationär behandelt, durchschnittlich für 39 Tage.
Die Quote der Rehospitalisierung - also einer erneuten Krankenhaus-Einweisung - liege bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen bei 24 Prozent. Dieser Anteil sei "zu hoch und nicht akzeptabel", kritisierte Storm. Im Anschluss an den Klinikaufenhalt gehe die Behandlung der Betroffenen oft nicht nahtlos weiter, "obwohl das für den langfristigen Behandlungserfolg von großer Bedeutung ist". Der DAK-Chef forderte, bestehenden Versorgungslücken zu schließen.
Betroffene Kinder und Jugendliche "leiden oft leise bevor sie eine passende Diagnose bekommen", sagte Storm weiter. Er rief zu mehr Aufmerksamkeit "in der Familie, in der Schule, in der Freizeit zum Beispiel im Sportverein" auf. "Depression bei Kindern und Jugendlichen darf kein Tabu-Thema bleiben", betonte Storm.
Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen könnten mögliche Symptome für eine psychische Erkrankung sein, erklärte Silke Wiegand-Grefe, Professorin für klinische Psychologie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Bei kleineren Kindern seien es oft auch Bauchschmerzen oder ständiges Unwohlsein. Das engere soziale Umfeld sollte in solchen Fällen immer versuchen, in Kontakt und im Gespräch mit dem betroffenen Kind zu bleiben.
"Spitze des Eisbergs"
Dass Mädchen doppelt so häufig wie Jungen von Depressionen und Angststörungen betroffen seien, begründete Wiegand-Grefe mit den unterschiedlichen Konfliktstrategien: "Mädchen internalisieren Probleme eher. Sie ziehen sich eher in sich zurück. Jungen externalisieren eher Probleme, was sich auch in Gewalt ausdrücken kann."
Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, bezeichnete die Studienergebnisse als "Spitze des Eisbergs". Es sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
Für den "Kinder- und Jugendreport 2019" wurden Abrechnungsdaten von knapp 800.000 minderjährigen DAK-Versicherten der Jahre 2016 und 2017 herangezogen. Geleitet hat die Studie der Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld.