München (epd). "Fairteiler" steht auf dem Blatt Papier, das mit Tesafilm auf die Tür des Kühlschranks geklebt wurde. Darunter wird mit Hilfe von Strichmännchen erklärt, was man darf und was man zu lassen habe. "Nicht alles anfassen" und "Nicht alles mitnehmen", heißt es da. Im Kühlschrank selbst liegen ein paar grüne Salate und Kohlrabi-Knollen. Daneben, in einem Holzregal, finden sich in einer Bäckerkiste Brezeln und ein Kastenbrot. Hier, im "Eine-Welt-Haus" in München, ist eine Verteilstelle für Nahrungsmittel, an der sich jeder kostenlos bedienen kann. Aufgefüllt wird sie von den Mitgliedern von Foodsharing, einem Verein, der sich nach eigener Aussage um die "Rettung" von Lebensmitteln kümmert, die sonst im Abfall landen würden.
Die Lebensmittel stammen unter anderen vom Bioladen "Vollkorner". Es handelt es sich etwa um Gemüse, das zum Geschäftsschluss am Abend übrig bleibt und am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden kann. Oder um "abgelaufene" Milch und Joghurt, bei denen also das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist. Dann schlägt die Stunde von Daniel Nagy. Der 33-Jährige kommt mit seinen Taschen in den Bioladen, um Filialleiter Simon Gruber zu fragen, ob er "abholen kann, was übrig geblieben ist".
"Uns geht es zu gut"
Nagy hat sich vor fünf Jahren der Foodsharing-Bewegung angeschlossen. Diese nimmt sich der Lebensmittel an, die ansonsten von Läden und Unternehmen weggeworfen würden, holt sie ab und verbraucht sie oder verteilt (englisch: to share) sie an andere - zum Beispiel über die "Fairteiler"-Kühlschränke.
Die Foodsharing-Bewegung wurde 2012 in Berlin gegründet. Heute gibt es einen Dachverband der lokalen Initiativen mit bundesweit 30.000 Mitgliedern. In München besteht seit 2014 eine derartige Gruppe mit fast 800 Mitgliedern.
Nagy versteht sich als "Botschafter", wie er sagt. Sein Ziel: "Ich will die Menschen über Lebensmittelverschwendung aufklären und zeigen, was man dagegen tun kann, auch zu Hause." Denn allein in München wanderten pro Tag an die 168 Tonnen an Nahrungsmitteln in den Abfall. "Uns geht es zu gut, wir wissen nicht mehr zu schätzen, was die Natur uns gibt", sagt Nagy.
Verderbliche Lebensmittel ausgeschlossen
Der Verein Foodsharing hat sich klare Regeln gegeben: Verderbliche Lebensmittel wie Fisch, Geflügel, Fleisch, rohe Eierspeisen und zubereitete Lebensmittel sowie Medikamente sind ausgeschlossen. Daran müssen sich die Aktivisten halten, die Lebensmittel einsammeln.
Auf der Homepage des Vereins findet sich darüber hinaus ein Leitfaden, der über den sicheren Umgang mit Lebensmitteln aufklärt. Beschrieben wird etwa, was man bei der Reinigung der Kühlschränke, beim Transport von Nahrung oder hinsichtlich des Mindesthaltbarkeitsdatums beachten sollte. "Lebensmittel an andere weiterzugeben ist eine sehr menschliche aber auch verantwortungsvolle Situation", schreibt der Verein in dem Ratgeber.
Warum machen die Betriebe - in München sind es laut Foodsharing rund 100 - mit? "Das gehört zu unserer Unternehmenskultur", sagt "Vollkorner"-Filialleiter Gruber. "Wir wollen Lebensmittel nicht wegwerfen." Nagy ergänzt: "Letztlich profitieren auch die Firmen, denn sie sparen sich Müllgebühren." Er selbst verbraucht das eingesammelte Essen für sich selbst oder gibt es an Freunde weiter. Bedürftigkeit spielt bei Foodsharing anders als wie bei der Tafel keine Rolle.