In einem bewegenden Gottesdienst ist am 14. Oktober in der Marktkirche in Halle der Opfer des rechtsextremen Anschlags in der Saalestadt gedacht worden. Rund 800 Menschen nahmen an dem Gedenkgottesdienst in dem bis auf den letzten Platz voll besetzten Gotteshaus teil, darunter auch Angehörige und Freunde der Opfer. Diejenigen, die nicht mehr in der Kirche Platz fanden, konnten auf dem Marktplatz die Übertragung des Gottesdienstes verfolgen. Dort hatten sich etwa 1.000 Menschen um ein Meer aus Blumen und Kerzen versammelt.

Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer, hielt die Predigt. Er sagte, die Tür zur Synagoge habe gehalten, das sei das Wunder von Halle, aber zwei Menschen seien ermordet worden, dass sei die Wunde von Halle, die nicht so schnell verheilen werde. Zwei Menschen seien mitten in der Stadt ermordet worden, es hätte jeden treffen können.

"Asoziale Abwege"

Mit deutlichen Worten verurteilte Kramer Rechtsextremismus und Antisemitismus: "Da zieht einer los, um Juden abzuschlachten, und tötet zwei Menschen, als sei es ein Computerspiel." Kramer sprach von "asozialen Abwegen". Er fügte hinzu, auch die Kirchen hätten einst die Türen für den Judenhass geöffnet, das habe viele Hirne und Herzen vergiftet. Aber die Kirchen hätten dann auch angefangen aufzuräumen und die Judenfeindschaft vor die Tür gesetzt. Die Gesellschaft müsse "den Antisemitismus vor die Tür setzen", sagte Kramer.

Der Bischof erklärte weiter: "Ein Angriff auf eine Synagoge ist auch ein Angriff auf die Kirchen." Und es gebe nichts feigeres als Menschen im Gebet anzugreifen. "Menschen im Gebet sind wehrlos. Sie haben keine Waffen, sie öffnen ihre Hände vor Gott", sagte Kramer.

An dem Gottesdienst nahmen auch der katholische Bischof Gerhard Feige vom Bistum Magdeburg und Kirchenpräsident Joachim Liebig von der Evangelischen Landeskirche Anhalts teil. Zudem waren Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD), Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD), Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und Bildungsminister Marco Tullner (CDU) gekommen.

Rückzugsort

Die Kollekte des Gedenkgottesdienstes war für die Hilfsorganisation Weißer Ring bestimmt, die Opfer von Gewalt unterstützt. Die Marktkirche soll auch in den kommenden Tagen offen bleiben und für Gebete und als Rückzugsort zur Verfügung zu stehen.

Bei dem Anschlag am 9. Oktober in Halle wurden eine 40-jährige Frau und ein 20-jähriger Mann erschossen. Auf der Flucht schoss der Täter auf eine weitere 40-Jährige und einen 41-Jährigen, die dabei schwer verletzt wurden. Der schwer bewaffnete Mann hatte zuvor versucht, in die Synagoge einzudringen, was misslang. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort zu diesem Zeitpunkt insgesamt 51 Gläubige versammelt. Der 27-Jährige handelte nach eigener Aussage aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven.