Westdeutsche Kulturinstitutionen haben eine Menge nachzuholen, ist sich Felix Krämer sicher. "Es überrascht, dass sich die Museen in Westdeutschland in den letzten 30 Jahren nicht mit der entgegen vieler Vorurteile spannenden, heterogenen Kunst in der DDR beschäftigt haben", sagt der Generaldirektor des Düsseldorfer Kunstpalastes. Das Haus präsentiert die Ausstellung "Utopie und Untergang - Kunst in der DDR". Bis 5. Januar sind dort 130 Werke von 13 Künstlerinnen und Künstlern aus der Zeit von 1949 bis 1989 zu sehen. Vor allem die Jüngeren, die die Teilung Deutschlands nicht mehr erlebt hätten, können laut Krämer viel entdecken.

Seit 1989 hat es den Angaben nach in keinem westdeutschen Museum eine Überblicksausstellung zur Kunst in der DDR gegeben. 30 Jahre nach dem Fall der deutsch-deutschen Mauer widmet sich die Düsseldorfer Sonderschau dieser Zeit und stellt die Werke nach den Worten von Kurator Steffen Krautzig "als Kunst, nicht als historische Zeugnisse einer vergangenen Epoche" vor. Damit wolle man ausdrücklich auch "das Schubladendenken des Kalten Krieges überwinden", betonte Krautzig, der die Ausstellung etwa zwei Jahre lang geplant und vorbereitet hat.

Späte Würdigung

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobt in seinem Geleitwort im Katalog, die Ausstellung wolle "einen neuen, gerechten Blick auf die Kunst der DDR" und zugleich "einen selbstkritischen Blick auf die westdeutsche Aufnahme dieser Kunst" werfen. Bei seinen Besuchen in ostdeutschen Museen sei man erstaunt über sein Interesse an Kunstwerken aus "der DDR-Zeit gewesen und habe auch den Mut der Ausstellungsmacher gelobt, erklärte Kurator Krautzig. Aufgrund von Vorurteilen und Vorbehalten sie diese Kunst einfach nicht "auf dem Schirm der westdeutschen Museumsleute" gewesen.

Rund 130 Gemälden und Arbeiten auf Papier spiegeln nach Angaben der Ausstellungsmacher "eine spannungsreiche, oft widersprüchliche Kunstepoche" wider. Neben den als "offiziellen Malern der DDR" wahrgenommenen Künstlern Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Willi Sitte und Werner Tübke sind im Kunstpalast am Rheinufer die künstlerischen Positionen von Gerhard Altenbourg, Carlfriedrich Claus, Hermann Glöckner, Angela Hampel, Wilhelm Lachnit, Michael Morgner, A.R. Penck, Cornelia Schleime und Elisabeth Voigt zu sehen.

Dies sei eine kleine Auswahl von Künstlerin der ehemaligen DDR, räumten die Ausstellungsmacher ein. Immerhin waren laut Krautzig etwa 6.000 Mitglieder im Verband der Künstlerinnen und Künstler der DDR. Unter den Exponaten befinden sich viele ihrer Hauptwerke, aber auch zahlreiche "bislang unbekannte und noch nie im Westen gezeigte Arbeiten". Die meisten der vorgestellten Maler und Malerinnen sind tot. Von den noch Lebenden ist die 1956 geborene Hampel zur Eröffnung angereist, ebenso die 1953 geborene Schleime. Auch der 1942 geborene Morgner wollte zum Ausstellungsstart nach Düsseldorf kommen.

Die Künstlerauswahl will laut Generaldirektor Krämer "zum Nachdenken über unsere gesamtdeutsche Kunstgeschichte" auffordern. Auch in der ehemaligen DDR würden erst seit vielleicht drei Jahren wieder die Depots in den Museen durchforstet und Arbeiten aus dieser Zeit präsentiert. Ihn selbst beeindrucke in der Ausstellung etwa das allererste von Penck (1939-2017) gemalte Strichmännchen-Bild mit dem Titel "Der Sturz" von 1960 oder auch das um 1986 entstandene Gemälde von Bernhard Heisig (1925-2011) mit dem Titel "Christus verweigert den Gehorsam", sagte Krämer.

Bekannte Künstler aus Ostdeutschland: Richter und Uecker

Düsseldorf sei auch deshalb der richtige Ort für die Ausstellung, weil viele DDR-Künstler schon in jungen Jahren ins Rheinland übersiedelten. Darunter auch Gotthard Graubner, Gerhard Richter oder Günther Uecker, die an der Düsseldorfer Kunstakademie studierten, weltberühmt wurden und viele Jahre lang als Professoren an der Kunstakademie Düsseldorf unterrichteten, sagte Krämer. Der Generaldirektor des Kunstpalastes betont, die Rezeptionsgeschichte der Kunstwerke von DDR-Künstlern sei "noch lange nicht aufgearbeitet." Er hofft, dass die Schau drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer einen Dominoeffekt für weitere Ausstellungen auslösen könnte.

Manche der präsentierten Künstler rieben sich nach dem Zweiten Weltkrieg an den strengen Vorgaben des Sozialistischen Realismus. Andere entwickelten besondere Ausdrucksformen, mal zurückgezogen, mal in rebellischem Widerspruch zum System. Punkig-expressive Frauenfiguren von Hampel, existenzialistische Gemälde von Morgner und abstrakte Arbeiten von Glöckner verdeutlichen nach Angaben des Kuratoren die stilistische Vielfalt. Alle seien dabei sehr unterschiedliche, immer aber eigenständige Wege gegangen. "Zwischen Rebellion und Anpassung, zwischen Utopie und Untergang", erklärten die Ausstellungsmacher.