Nach den deutlichen Zuwächsen der AfD in Brandenburg und in Sachsen stellt sich wieder die Frage: Wer wählt die Rechtspopulisten eigentlich? Die Antworten sind nicht einfach, und den typischen AfD-Wähler gibt es nicht. Wissenschaftler gehen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) aber von zwei Hauptmotiven aus: Rassismus und Protest aus dem Gefühl heraus, benachteiligt zu sein.

Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Aiko Wagner von der Universität Potsdam löst die AfD zum Teil die Linke als Protestpartei in Ostdeutschland ab. Wagner sagt, dass die Wanderung von Wählern von ganz links nach ganz rechts auch eine Folge davon sei, dass die Linke inzwischen seit vielen Jahren in verschiedenen Regionen mitregiere und somit aus Sicht vieler Menschen "Teil des Establishments" sei. "Protest ist umso wirksamer, je sichtbarer er ist", fügt der Wissenschaftler hinzu. Protestwähler machten ihr Kreuz bei der AfD und nicht bei Splitterparteien auf dem Wahlzettel, weil so der Weckruf lauter und die Bedrohung für die anderen Parteien stärker seien.

Diffuse Zukunftsängste

Der Politikwissenschaftler betont, dass es sich bei AfD-Wählern nicht unbedingt um Menschen handelt, die persönliche Abstiegserfahrungen gemacht hätten oder denen es besonders schlechtgehe. Eher spreche die Partei einen Teil des Kleinbürgertums an, nämlich "Menschen die in ihrer Wahrnehmung etwas dafür getan haben, dass es ihnen gutgeht". Diese hätten aber diffuse Zukunftsängste, wonach alles ganz schlimm werde, wenn es so weitergehe wie bisher.

Nach Angaben des Berliner Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer wird die AfD überproportional stark gewählt von Männern, mittleren Altersgruppen und Menschen mit mittleren Bildungsabschlüssen. Sehr stark sei die Partei bei Arbeitern. Die Motive seien aber unterschiedlich: So handele es sich zum Teil um ideologische Hardliner, die ein rechtsextremes Weltbild hätten. Eine andere Gruppe seien aber Protestwähler: Für sie sei noch immer der Protest gegen die Flüchtlingspolitik der wichtigste Grund. Diese Menschen interessiere auch nicht, was die AfD ansonsten noch wolle. "Protestwähler wollen der einst von ihnen präferierten Partei einen Denkzettel verpassen", sagt Niedermayer.

Niedermayer erläutert, dass im Osten der Republik das Stadt-Land-Gefälle deutlich stärker sei als im Westen. Auch das wirke sich auf das Wahlverhalten aus. In den ländlichen Regionen in Brandenburg und Sachsen fühlten sich die Menschen benachteiligt und alleingelassen. Grund sei vor allem die Unzufriedenheit mit der Infrastruktur, dem Mangel an Ärzten, Schulen und den schlechten Verkehrsanbindungen. "Ihnen geht es noch nicht einmal um schnelles Internet, sondern darum, überhaupt Mobilfunknetz zum Telefonieren zu haben oder darum, dass der Bus statt einmal dreimal am Tag kommt", sagt der Politologe.

Benachteiligungsgefühl

Der Soziologe Johannes Kiess erklärt, die sogenannte Deprivation, das Benachteiligungsgefühl, könne in ganz verschiedenen Gruppen und Richtungen auftreten. So könne man sich benachteiligt fühlen im Vergleich zu vor fünf Jahren oder eben gegenüber anderen. Manche hätten beispielsweise das Gefühl: "Meine Eltern hatten noch einen Aufstieg, ich muss schauen, dass ich meinen Lebensstandard halten kann." Insbesondere eine schlechter werdende Wirtschaftslage mache manche Menschen anfällig für rechtsextreme Ansichten. Dabei mache es keinen Unterschied, ob sie persönlich ärmer seien als andere: "Die meisten Harz-IV-Empfänger in Sachsen leben in Leipzig, und dort ist die AfD nicht stark." Die Partei profitiere also eher von den Ängsten der Leute.

Natürlich gebe es außerdem noch einen anderen Aspekt, der die Wahl der AfD erkläre, nämlich Rassismus, sagte Kiess. Rassismus reiche als Erklärung aber allein für den Erfolg der Partei nicht aus. Schließlich seien heute laut Umfragen weniger Menschen rechtsextrem eingestellt als noch vor zehn Jahren.