Frankfurt a.M., Ankara (epd). Die Inhaftierung von Deniz Yücel war rechtswidrig. Zu diesem Schluss kommt das türkische Verfassungsgericht in Ankara in einer am Freitag im Amtsblatt der Regierung veröffentlichten Entscheidung. Die rechtswidrige Untersuchungshaft habe Yücels Recht auf persönliche Sicherheit, Freiheit und Meinungsfreiheit verletzt, heißt es in dem auf den 28. Mai datierten Urteil. Das Gericht sprach dem früheren Türkei-Korrespondenten der "Welt" außerdem einen Schadensersatz von 25.000 Türkischen Lira (umgerechnet rund 3.800 Euro) zu.
Einen Verstoß gegen das Folterverbot, den Yücel vor dem Verfassungsgericht ebenfalls geltend gemacht hatte, erkannten die Richter jedoch nicht an. "Leider kommt dieses Urteil sehr spät; es hätte ganz andere Folgen haben können, wenn sich das Verfassungsgericht mit unserer Beschwerde befasst hätte, als mein Mandant noch in Haft war", sagte Yücels Anwalt Veysel Ok der "Welt". Das Gericht habe nun bestätigt, dass sich Yücel "nichts außer Journalismus" zuschulden kommen lassen habe, erklärte Ok.
Tritte, Schläge, Drohungen
Yücel saß ab Februar 2017 knapp ein Jahr lang ohne Anklageschrift in türkischer Untersuchungshaft, davon neun Monate in strenger Einzelhaft. Nachdem die Staatsanwaltschaft schließlich eine Anklage vorgelegt hatte, wurde er aus dem Hochsicherheitsgefängnis von Silivri bei Istanbul entlassen und verließ die Türkei. Seit Juni 2018 wird ihm in Istanbul in Abwesenheit der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Journalisten Terrorpropaganda und Volksverhetzung vor. In seiner Verteidigungsschrift in dem Verfahren, die Yücel im Mai dem Berliner Amtsgericht Tiergarten vorlegte, berichtete er von wiederholten Tritten, Schlägen und Drohungen in der Haft.
Yücel wird ab Juli erstmals seit seiner Inhaftierung wieder regelmäßig für die "Welt" berichten. Von Dresden aus wird der 45-Jährige die kommenden Landtagswahlen in Ostdeutschland begleiten, wie Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt-Gruppe, am Donnerstag ankündigte.