Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat darauf gedrungen, die Kriminalisierung der Seenotretter zu beenden. "Das, was da passiert, ist ein moralischer Skandal", sagte Bedford-Strohm am 26. Juni in Berlin anlässlich des traditionellen Johannisempfangs der EKD. Die italienische Regierung hatte in den vergangenen Wochen verhindert, dass das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" der privaten Seenotrettungsorganisation Sea-Watch mit ursprünglich über 50 Flüchtlingen an Bord in einen Hafen einlaufen konnte.
Bedford-Strohm: Seenotretter dürfen nicht kriminalisiert werden
Italien hatte gedroht, das Schiff zu beschlagnahmen und die Besatzung strafrechtlich zu verfolgen, sollte die "Sea-Watch 3" das Verbot ignorieren. Dennoch entschied die Kapitänin des Schiffs am, den Notfall auszurufen und den Hafen von Lampedusa ansteuern.
Der Ratsvorsitzende hielt am Abend den Festvortrag in der Französischen Friedrichsstadtkirche zum Thema "Identität und Heimat - eine christliche Ortsbestimmung". "Echte Identität gründe sich nicht aus der Abgrenzung gegenüber den Anderen oder gar aus ihrer Herabsetzung", sagte Bedford-Strohm. Es sei richtig, Heimat und Identitäten zu schätzen. Menschen brauchten das. "Aber schief wird es, wenn wir einen bestimmten Zustand von Heimat und Identität verabsolutieren, als wäre nicht auch er aus vielen Quellen entstanden und als müsse nicht auch er sich mit der Zeit verändern", betonte der oberste Repräsentant von knapp 21,5 Millionen Protestanten in Deutschland.
"Dringliches Bewährungsfeld"
"Mit einem engen und homogenen Heimatbegriff, dessen Horizont nur bis zum Gartenzaun des Nachbarn reicht, hat das mit einem offenen Heimatverständnis, das wir heute brauchen, nichts zu tun", sagte Bedford-Strohm, der auch bayerischer Landesbischof ist. Das Thema Seenotrettung sei für diesen offenen Heimatbegriff ein "dringliches Bewährungsfeld", sagte er. "Verbrecherische Schlepperbanden darf man nicht dadurch bekämpfen, dass man unterlassene Hilfe beim Ertrinken von Menschen als Abschreckungsmittel einsetzt."
An dem Empfang, der vom Bevollmächtigten des Rates der EKD ausgerichtet wird, nahmen hochrangige Religionsvertreter und führende Bundespolitiker teil, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Rund 500 Gäste kamen bei tropischen Temperaturen auf den Gendarmenmarkt, darunter Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sowie der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek.
Der Sommerempfang der EKD findet traditionell in der Französischen Friedrichstadtkirche statt. An dem zentralen Berliner Platz hat der EKD-Bevollmächtigte bei Bundesregierung, Bundestag und Europäischer Union, Martin Dutzmann, seinen Dienstsitz. Er vertritt die Interessen der evangelischen Kirche gegenüber der Politik.