Düsseldorf (epd). Als Johanna Weigelts Großmutter im Sterben lag, schmückte die Familie das Zimmer mit Blumen. Rosenöl tauchte die Sterbende in eine Duftwolke und der Raum war erfüllt von ihrer geliebten Geigenmusik. "Ich habe den Tod meiner Großmutter als bereichernd erlebt", sagt die Enkelin. "Wenn es gelingt, sich in einem schönen familiären Rahmen auf den Sterbenden einzulassen, kann das eine positive Erfahrung sein."
So wie Johanna Weigelt erleben jedoch die wenigsten Menschen das Sterben eines Angehörigen. "Die allermeisten Menschen wünschen sich, zu Hause zu sterben", sagt der Palliativmediziner Georg Bollig. "Aber die Angehörigen haben oft Angst, etwas falsch zu machen." Aus diesem Grund verbringen oft auch solche Menschen ihre letzten Stunden im Krankenhaus, die bei guter Betreuung friedlich zu Hause sterben könnten.
Letzte-Hilfe-Kurse mittlerweile bundesweit angeboten
"Nur wenn Menschen da sind, die sich kümmern, hat man die Chance, zu Hause zu sterben", sagt Bollig. "Letzte Hilfe sollte so wie Erste Hilfe zur Allgemeinbildung gehören," fordert der Arzt. Vor drei Jahren bot Bollig deshalb in Schleswig den bundesweit ersten Letzte-Hilfe-Kurs nach einem von ihm entwickelten Konzept an. Was zunächst ungewöhnlich schien, macht inzwischen Schule. Mittlerweile hat Bollig 750 Kursleiter ausgebildet, die bundesweit insgesamt rund 7.000 Menschen in Letzter Hilfe schulten.
Die Kurse werden meist von Hospizvereinen angeboten, aber auch von Krankenhäusern oder Wohlfahrtsverbänden. Geleitet werden sie von je zwei nach Bolligs Konzept geschulten Kursleitern, die Erfahrung in der Palliativversorgung haben. "Das Revolutionäre an den Letzte-Hilfe-Kursen ist ihre Kürze", sagt Bollig. Die Kurse finden an einem Tag statt und dauern rund vier Stunden. Dafür habe er viel Kritik einstecken müssen, sagt Bollig. Allerdings habe er die Erfahrung gemacht, dass man mit kurzen Kursen sehr viel mehr Leute zur Teilnahme motiviert.
Mut machen
Die Kurse vermitteln Wissen und Tipps. Das Wichtigste sei jedoch, dass die Teilnehmer überhaupt dazu ermutigt würden, Angehörige zu Hause beim Sterben zu begleiten, sagt Kursleiterin Christiane Bock vom Hospizverein Lebenskreis in Hennef. "Wir wollen, dass die Menschen hier rausgehen mit dem Wissen: Ich kann das."
Eigentlich könne man gar nicht viel falsch machen, sagt Kursleiterin Dorothee Marquardt von der Ökumenischen Hospizgruppe Kaiserswerth in Düsseldorf. "Jeder, der sich damit auseinandersetzt, kann das." Die meisten Menschen hätten nur die natürliche Intuition verloren, beobachtet Marquardt. "Die versuchen wir zu vermitteln."
"Was zählt, sind die Wünsche des Sterbenden", sagt Christiane Bock. Das könne für den einen etwa sein, ein letztes Mal im Rollstuhl in die Natur gefahren zu werden, ein anderer Patient wünsche sich vielleicht einfach noch einmal sein Lieblingseis. Ein sehr häufiges Problem ist jedoch, dass Menschen am Lebensende nicht mehr schlucken können. Dass sie dann nichts mehr essen oder trinken wollten, sei für viele Angehörige nur schwer zu ertragen, weiß Bollig. Allerdings gehöre das zum Sterben. Erzwungene Nahrungsaufnahme sei dann für den Sterbenden eher eine Qual.
In den Kursen erfahren die Teilnehmer, dass es andere Möglichkeiten gibt, dem Sterbenden noch etwas Gutes zu tun. Wichtig sei etwa die Mundpflege, sagt Bollig. Denn wenn Menschen nicht mehr trinken und schlucken können, leiden sie unter einem trockenen Mund. Das können die Angehörigen zum Beispiel lindern, indem sie die Lippen eincremen und den Mund wiederholt mit einem feuchten Wattestäbchen auspinseln. Es gehe darum, zu schauen, was dem Sterbenden angenehm sei. Das könne etwa auch eine Hand- oder Fußmassage sein.
Leiden und Angst des Sterbenden lindern
In den Kursen lernen die Teilnehmer aber nicht nur, wie sie Leiden und Angst des Sterbenden lindern können. Es geht auch darum, was Menschen am Lebensende und ihre Angehörigen tun können, um gut auf den Tod vorbereitet zu sein. Dazu gehört zum Beispiel, rechtzeitig eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Außerdem sei es für viele Teilnehmer neu, dass sie sich bei der Begleitung des Sterbenden zu Hause auch Hilfe holen könnten, sagt Bock. Das könne neben dem Hausarzt auch eine spezielle ambulante Palliativversorgung sein. Zudem kann ein Pflegedienst unterstützen und nicht zuletzt gibt es Hospizvereine, die Angehörigen helfen, den Sterbenden bestmöglich zu betreuen.
Johanna Weigelt machte den Letzte-Hilfe-Kurs erst, nachdem ihre Großmutter gestorben war. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest: "Wir haben schon viel richtig gemacht." Dazu gelernt habe sie trotzdem noch, sagt die Düsseldorferin. Neu seien für sie vor allem die Informationen über die körperlichen Vorgänge beim Sterben gewesen. Vor allem die rasselnde Atmung der Großmutter kurz vor dem Tod sei für die anwesenden Familienmitglieder belastend gewesen, weil sie das als Todeskampf deuteten. Hätte sie damals schon gewusst, dass das einfach ein Symptom des Sterbens ist, wäre es leichter zu ertragen gewesen, meint Weigelt.