Die große Mehrheit der Eltern und Lehrer in Nordrhein-Westfalen misst einer neuen Studie zufolge der Werteerziehung an Schulen große Bedeutung zu. Gleichzeitig sehen sowohl Eltern als auch Lehrkräfte klare Defizite bei der Umsetzung dieser Ziele, wie der Verband Bildung und Erziehung (VBE) bei der Vorstellung einer bundesweiten Umfrage der Universität Tübingen und des Instituts forsa mitteilte. "Kein Ziel kann entsprechend der Erwartungshaltung umgesetzt werden", erklärte der nordrhein-westfälische Landesvorsitzender des VBE, Stefan Behlau, am 9. November in Dortmund und forderte von der Politik mehr Unterstützung.

Menschenrechte statt Heimat-Debatte

Mehr als 90 Prozent der Eltern in Nordrhein-Westfalen bewerten der Studie zufolge acht von 16 abgefragten Erziehungszielen wie "eigenverantwortliches Handeln", "Achtung der Menschenrechte" oder "Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern" als wichtig oder sehr wichtig. Unter den Lehrkräften gaben mehr als 90 Prozent an, dass ihnen 13 der 16 Bildungsziele wichtig oder sehr wichtig seien. Am wenigsten wichtig erachteten beide Gruppen das Ziel "Förderung der Heimatverbundenheit" mit 35 Prozent (Eltern) beziehungsweise 20 Prozent (Lehrer). Die Einstellungen der Eltern und Lehrer in NRW unterschieden sich den Angaben nach nur geringfügig von denen in ganz Deutschland.

Oft würden die Ziele aber aus Sicht der Befragten im Lehrplan unzureichend berücksichtigt, hieß es. Der VBE forderte darum, das Angebot von Veranstaltungen zur Werteerziehung in der Lehrerausbildung zu intensivieren und zu standardisieren.

Als wichtige Akteure bei der Wertevermittlung wurden Elternhaus, Schule, Partner, Freundeskreis und Medien genannt. Jeweils ein Drittel der Lehrkräfte (39 Prozent) und Eltern (35 Prozent) bezeichnete die Kirche und die Religionsgemeinschaft als wichtigen oder sehr wichtigen Akteur.

Bildungsgerechtigkeit angemahnt

"Aktuell beobachten wir, dass gerade nach extremistischen und antidemokratischen Handlungen der Ruf nach Wertevermittlung in der Schule immer wieder laut wird", sagte Behlau. Doch allein Forderungen zu stellen sei nicht zielführend. Der VBE-Chef sprach sich für Bildungsgerechtigkeit aus. Alle Schüler müssten gleichermaßen eine reflektierte Wertehaltung entwickeln können. "Gelingt dies weiterhin nicht, hat das verheerende Auswirkungen auf deren weitere Biografie und auf die Gesellschaft", warnte er.

Für die Umfrage wurden bundesweit 1.111 Eltern schulpflichtiger Kinder sowie 1.185 Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen befragt. In Nordrhein-Westfalen nahmen 209 Eltern sowie 235 Lehrkräfte an der Umfrage teil. Abgefragt wurde unter anderem, welche wertebezogenen Bildungs- und Erziehungsziele an Schulen vermittelt werden sollten und inwieweit das gelinge.