Mal füllen kraftvoll-brausende Töne das Schiff der evangelischen Kirche in Cappel bei Cuxhaven. Mal fließen die Klänge zart über Bänke, Altar und Taufbecken. Mit ihren Hörproben entlockt Laura Schlappa der historischen Arp-Schnitger-Orgel auf der Empore der Kirche die ganze Vielfalt barocker Musikfarben. Die 18-Jährige gehört zu den Nachwuchstalenten der Orgelszene in Deutschland und wurde im Frühjahr als Solistin auf ihrem Lieblingsinstrument im Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Musizierende wie sie sind gesucht, denn Organistenstellen sind schwer zu besetzen.

Bevor die junge Frau ihr Spiel beginnt, schlüpft sie in Schuhe mit weichem Leder. "Dann habe ich bessere Fühlung zu den Fußpedalen der Orgel", erläutert die Cuxhavenerin, die schon mit vier Jahren am Klavier saß. Schon drei Jahre später machte sie erste Erfahrungen an der Orgel, für sie bis heute "Königin der Instrumente". "Musik ist ein Teil meines Lebens, meine Leidenschaft, das macht mir Spaß", schwärmt sie über das, was sie ab Oktober in den Fächern Kirchenmusik und Klavier an der Detmolder Hochschule für Musik auch studieren will. Schlappa, sagen Experten, ist ein "Tastenmensch".

"Zum Niederknien"

Schon seit Jahren nimmt sie in der Region, in Hannover und in Detmold Unterricht. Bisher war sie wöchentlich mehrfach unterwegs, um ihr Spiel zu verbessern. "Die Übung macht's", sagt sie mit einem Lächeln und freut sich, dass ihre Schule auf die Terminflut unterstützend reagiert hat.

"Das ist längst nicht immer so", berichtet ihr Detmolder Orgellehrer Martin Sander, der auch ihr zukünftiger Professor an der Hochschule für Musik ist. "Ihre Schule war sehr liberal und hat ihr frei gegeben - andernorts kriegen viele junge Leute Ärger", hat Sander erfahren. Bei Laura Schlappa habe sich die Förderung ausgezahlt. "Zumal sie im Üben mit ihrer Konzentrationsfähigkeit und ihrer Hartnäckigkeit eine ziemliche Ausnahme ist."

Das hat sich nun erneut als Vorteil erwiesen. Die junge Frau hat im August in Nordirland bei einem internationalen Orgelwettbewerb in ihrer Altersklasse den ersten Platz belegt - auch, weil sie für "ihr" Instrument brennt: "An der Orgel die Kirche zu rocken, das ist für mich zum Niederknien."

Eine Ausnahme in positiver Weise war auf ihrem bisherigen Weg überdies ihr persönliches Umfeld, wie Annegret Schönbeck von der Orgelakademie in Stade berichtet. Denn wer neben der Schule in die Kirche gehe, um Orgel zu spielen, müsse nicht selten über ein ausreichendes Maß an Frustrationstoleranz verfügen. "Viele werden von ihren Mitschülern gemobbt."

Schönbeck koordiniert an der Akademie besondere Aktionen, mit denen Kinder und Jugendliche für Orgel und Kirchenmusik begeistert werden sollen. Bundesweit gibt es immer mehr Initiativen dieser Art, von denen die deutsche Direktorenkonferenz Kirchenmusik beispielhafte Ideen auf ihrer Internetseite "www.wegezurkirchenmusik.de" dokumentiert.

Glänzende Jobaussichten

Darunter sind Wettbewerbe, Orgel-Clubs, Schulaktionen und eben auch jährliche Jugend-Orgelforen mit renommierten Dozenten und besonderen Führungen an historischen Instrumenten für Kinder und Jugendliche in Stade. Kinder, Jugendliche und ihre Elternhäuser müssten in ausreichender Zahl und früh genug interessiert werden und auf den Geschmack kommen, betont der Präsident der Direktorenkonferenz Kirchenmusik, der badische Landeskirchenmusikdirektor Kord Michaelis. "Damit auch bei gestrafften Schullaufbahnen die Zeit zum Üben reicht."

Ob dann Studien-Absolventen trotz glänzender Jobperspektiven unter anderem aufgrund vieler anstehender Pensionierungen tatsächlich in die Kirchenmusik gehen, ist aber gar nicht klar. "Sie können auch Schul- oder Kammermusik wählen oder Kapellmeister werden", verdeutlicht Hochschulprofessor Sander. Immerhin: Nach einer Talsohle vor ein paar Jahren registriert die Direktorenkonferenz im Bundesdurchschnitt wieder leicht steigende Studierendenzahlen.

Auch Laura Schlappa weiß noch nicht, ob sie nach Ende ihrer Studienzeit in Detmold in die Kirchenmusik geht. Doch eines weiß sie sicher: Sich an der Orgel über die Musik mit dem Publikum und den Gottesdienstgästen zu verbinden - "das ist einfach ein gutes Gefühl".