Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Zustimmung zu der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geforderten Widerspruchslösung bei der Organspende signalisiert. Sie unterstütze den Vorstoß, sagte Merkel am 6. September dem Fernsehsender RTL. "Ich persönlich habe große Sympathie für die Widerspruchslösung, also die doppelte Widerspruchslösung, weil ich dann doch aktiv einmal im Leben darüber nachdenken muss, ob ich das möchte oder nicht", sagte die Kanzlerin.

Spahn hatte in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" angekündigt, das Thema in den Bundestag zu bringen. Er werde fraktionsübergreifend mit anderen Abgeordneten einen Antrag zur sogenannten doppelten Widerspruchslösung vorlegen, schrieb Spahn. Diese Diskussion müsse im Bundestag geführt und ohne Fraktionszwang entschieden werden. Es sei eine Gewissensfrage. Bei der doppelten Widerspruchslösung kann jeder zu Lebzeiten ausdrücklich nein sagen, ansonsten sind - als doppelte Schranke - auch noch die Angehörigen zu fragen.

Merkel sagte, sie finde es richtig, dass die Debatte im Bundestag geführt werde und es bei der Abstimmung keinen Fraktionszwang gebe: "Das ist etwas, was jeder Mensch für sich entscheiden muss."

Zu wenig Spender

Spahn will erreichen, dass in Deutschland jeder Bürger, der zu Lebzeiten nicht widerspricht oder dessen Angehörige dies nach dem Tod ablehnen, ein potenzieller Organspender ist. Bislang gilt, dass nur derjenige Organspender ist, der oder dessen Angehörige der Spende aktiv zustimmen.

In seinem Zeitungsbeitrag verweist der Gesundheitsminister auf fehlende Spenderorgane. 10.000 Menschen würden in Deutschland auf eine Organspende warten, täglich stürben Menschen, die vergeblich warteten. Gleichzeitig sinke die Zahl der Spender. Im Jahr 2017 seien es knapp 800 gewesen, 60 weniger als im Jahr zuvor. Merkel sagte RTL, die Zahl der Organspender in Deutschland sei "viel, viel zu gering".

Spahn betont, dass er in der Bundestagsdebatte als Abgeordneter, nicht als Minister auftreten und daher auch keinen Gesetzentwurf der Bundesregierung vorlegen will. Er widerspricht darüber hinaus dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, der Spahns Vorstoß als drohende "Organabgabepflicht" kritisiert hatte. "Eine Pflicht, zu der man konsequenzlos 'nein' sagen kann, ist keine Pflicht", schreibt Spahn.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bekräftigte ihre Kritik an der Widerspruchslösung. "Solange es kein Vertrauen in das Transplantationssystem gibt, bringt eine Widerspruchsregelung nichts", sagte Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung. Dass damit kein Problem gelöst werde, zeigten Beispiele aus anderen Ländern. So sei in Spanien, in der die Widerspruchslösung gilt, die Zahl der Organspender erst nach einer Neuorganisation des Systems stark gestiegen.