Der Angriff mutmaßlicher Neonazis auf ein jüdisches Restaurant vor zwei Wochen in Chemnitz hat bundesweit Bestürzung ausgelöst. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zeigte sich erschüttert. Die rassistischen Ausschreitungen und die Attacke auf das jüdische Lokal "Schalom" zeigten, wie stark der Rechtsextremismus in der Region verwurzelt sei.

"Es ist fünf nach Zwölf!", betonte Schuster. "Die Bestrebungen der Verfassungsbehörden, die Vorfälle offensichtlich zu bagatellisieren, lassen mich ernsthaft an der Arbeit dieser Behörden zweifeln."

Wie der Wirt des koscheren Lokals, Uwe Dziuballa, dem Evangelischen Pressedienst (epd), bestätigte, wurde sein Restaurant am Abend des 27. August von zehn bis zwölf Personen mit Steine und Flaschen attackiert. Er selbst wurde dabei an der Schulter getroffen. Der sächsische Staatschutz hat die Ermittlungen übernommen. Die "Welt am Sonntag" hatte zuerst ausführlich über den Angriff berichtet. Laut der Zeitung riefen die vermummten, in schwarz gekleideten Täter dabei "Hau ab aus Deutschland, Du Judensau".

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) verurteilte die Attacke. "Angriffe auf jüdisches Leben, wie wir sie nun wieder erleben, sind unerträglich", sagte die Ministerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Attacken von rechten Gruppen auf jüdische Restaurants weckten schlimmste Erinnerungen.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich alarmiert. "Sollten die Berichte zutreffen, haben wir es mit dem Überfall auf das jüdische Restaurant in Chemnitz mit einer neuen Qualität antisemitischer Straftaten zu tun. Hier werden die schlimmsten Erinnerungen an die dreißiger Jahre wachgerufen", sagte Klein der "Welt am Sonntag" (9. September).

Innenminister besuchte Restaurant

Der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) besuchte am 8. September das Restaurant und sprach mit dessen Betreiber Dziuballa. Der Minister versprach, dass die sächsische Polizei mit Hochdruck daran arbeite, "diese widerliche Tat aufzuklären". Zuvor hatte auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ein Treffen mit dem Wirt angekündigt.

Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) wertet den Angriff als "Versuch der Vertreibung". "Wenn ein antisemitischer Mob einen jüdischen Wirt bedroht und angreift, macht mich das wütend", sagte der Regierungschef in der Tageszeitung "Die Welt" (10. September): "Das erinnert an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte."

Für Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) zeigt der Angriff auf das jüdische Restaurant, "dass es offenbar eine geringere Hemmschwelle zu rechtsextrem motivierten Gewalttaten gibt". In Sachsen habe man offenbar viel zu lang bestehende Ressentiments geduldet.

Wirt Dziuballa schilderte dem epd, wie ihn der Angriff gegen 21.40 Uhr nach einer Lesung völlig überrascht habe, als er wegen eines Geräuschs vor die Tür getreten sei. "Das waren extreme zehn Sekunden", sagte er. Die Täter hätten faustgroße Steine, Flaschen und andere Gegenstände geworfen. Ein Stein habe ihn an der Schulter getroffen. Das Lokal sei am Ruhetag bis auf zwei Gäste schon leer gewesen.

Der Angriff erfolgte einen Tag nachdem in Chemnitz in der Nacht zum 26. August der 35-jährige Deutsch-Kubaner Daniel H. erstochen worden war. Drei Asylbewerber aus Syrien und dem Irak sind dringend tatverdächtig. Daraufhin kam es rechtsgerichteten Demonstration mit Ausschreitungen.