Bei der Rückgabe menschlicher Gebeine nach Namibia hat sich Staatsministerin Michelle Müntefering (SPD) als Vertreterin der Bundesregierung für Gräueltaten während der deutschen Kolonialzeit entschuldigt. Das Unrecht der Vorfahren könne zwar nicht rückgängig gemacht werden, sagte die Staatsministerin für internationale Kulturangelegenheiten im Auswärtigem Amt am 29. August anlässlich eines Gedenkgottesdienstes und einer Übergabezeremonie in Berlin. Sie bitte aber "aus tiefsten Herzen um Verzeihung", fügte Müntefering hinzu.

Die Bundesregierung beteiligte sich erstmals offiziell an einer Rückgabe menschlicher Gebeine aus der Kolonialzeit an Namibia. Dabei handelt es sich um 27 menschliche Überreste, die während der deutschen Kolonialzeit (1884-1915) aus Südwestafrika entwendet worden waren. Zuletzt lagerten sie in anthropologischen Sammlungen in Berlin, Greifswald, Ennigerloh, Witzenhausen, Jena, Hannover und Hamburg. In den Vorjahren hatte es bereits zwei ähnliche Rückgaben von deutschen Forschungsinstituten an Namibia gegeben. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten deutsche Kolonialtruppen Aufstände der Volksgruppen Herero und Nama grausam niedergeschlagen. Schätzungen zufolge kamen mehr als 70.000 Menschen ums Leben.

Namibia will Entschuldigung

Namibias Kulturministerin Katrina Hanse-Himarwa erklärte, dass sich das namibische Volk eine Entschuldigung für den Genozid an den Herero und Nama im Rahmen eines offiziellen Bekenntnisses der Bundesregierung gegenüber dem Volk und der Regierung Namibias wünsche. Müntefering betonte, die Deutschen würden sich zu ihrer historischen Verantwortung bekennen. "Die damaligen Gräueltaten waren das, was wir heute als Völkermord bezeichnen würden", sagte die Staatsministerin.

Die aktuelle Rückgabe fand im Rahmen eines mehrstündigen Gedenkgottesdienstes in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin statt, den die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Rat der Kirchen in Namibia (CCN) gestalteten. Bereits am Abend des 28. August hatte es in Berlin unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine Totenwache und Gelegenheit für traditionelle Riten geben. Am 31. August wurden die Gebeine in Windhuk in Namibia bei einem Staatsakt, an dem auch Müntefering teilnahm, in Empfang genommen.

EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber plädierte für eine Anerkennung des "ersten Genozids des 20. Jahrhunderts" in den früheren deutschen Kolonialgebieten. Das Gedenken an die Opfer müsse wachgehalten und für die Anerkennung des Völkermords öffentlich eingetreten werden. Das durch die deutsche Kolonialherrschaft begründete und danach fortwirkende Unrecht müsse zudem überwunden werden, sagte Bosse-Huber weiter. Die Bischöfin bekräftigte zudem das Schuldbekenntnis der Kirche. Durch theologische Rechtfertigung sei der Boden für die koloniale Herrschaft und den Tod tausender Angehöriger der namibischen Volksgruppen mit vorbereitet worden.

Protest von Aktivisten

Der Bischof der Evangelisch Lutherischen Kirche in der Republik Namibia und Delegationsleiter des Rates der Kirchen in Namibia, Ernst Gamxamub, erinnerte ebenfalls an die Geschichte Namibias und Deutschlands. "Für viele scheint der Genozid zu einem unbedeutenden Ereignis geworden zu sein, aber für uns ist es ein historisches, denkwürdiges und dunkles Kapitel in unserem Kampf gegen Kolonialismus und ausländische Besatzung aus früheren Zeiten." Der namibische Bischof rief zudem zu einer gemeinsamen Zukunft auf, die von Werten wie Menschenwürde, Respekt, Gleichheit, Frieden und Gerechtigkeit geprägt sein müsse.

Am Rande der Rückgabe-Veranstaltungen in Berlin protestierten rund 50 Aktivisten und Vertreter von Herero- und Nama-Organisationen gegen das Vorgehen der Bundesregierung und der EKD. Sie forderten von der Bundesregierung Entschädigung und ebenfalls eine offizielle Entschuldigung für den Genozid gegenüber Vertretern von Herero und Nama.